Das Wichtigste in Kürze
Das erwartet Sie hier
Wie die Klage- beziehungsweise Prozessquoten verschiedener Versicherer aussehen und ob Sie diese in Ihre Entscheidung für einen Anbieter einbeziehen sollten.
Inhalt dieser SeiteProzessquote: Wie oft muss die Berufsunfähigkeitsrente eingeklagt werden?
„Die Versicherung zahlt ja doch nicht, wenn ich sie brauche!“ – stimmt das?
Versicherer und Versicherungsvertreter genießen in Deutschland nur ein geringes Ansehen (Quelle: forsa/dbb, S. 13). Viele Deutsche, haben ein großes Misstrauen gegenüber Versicherern und glauben, dass diese im Ernstfall nicht leisten und sich mithilfe von Klauseln und Regelungen vor der Zahlung der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente drücken werden. Ein Blick auf die Zahlen hilft, diese Vorurteile realistisch einzuordnen.
So viele BU-Anträge werden tatsächlich abgelehnt
Der Gesamtverband der Versicherer (GDV) weist darauf hin, dass 80 Prozent der Anträge auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung bewilligt werden (Quelle: GDV). Selbst BU-Anträgen von Personen mit Vorerkrankungen werden zu rund 80 Prozent ohne Einschränkung angenommen (Quelle: Morgen & Morgen). Zum Vergleich: Bei der staatlichen Erwerbsminderungsrente wurden 2022 nur rund 51 Prozent der Anträge anerkannt (Quelle: Deutsche Rentenversicherung). Laut GDV werden also 20 Prozent der Anträge abgelehnt. In der folgenden Tabelle sehen Sie die Gründe für eine Ablehnung eines BU-Antrags:
Ablehnungsgründe in der Leistungsprüfung | Anteil |
---|---|
Nichterreichung des versicherten BU-Grades | 49 % |
Sonstige Gründe | 15 % |
Keine Reaktion des Kunden | 14 % |
Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht | 11 % |
Anfechtung bzw. Betrugsfall | 7 % |
Ausschlussklauseln | 3 % |
Konkrete Verweisung | 0,5 % |
Abstrakte Verweisung | 0,3 % |
Vor Gericht landen, laut GDV, nur wenige Fälle. 2021 kam es bei 2,2 Prozent der Berufsunfähigkeitsversicherungen zum Rechtsstreit (Quelle: GDV).
Was ist die Klagequote?
Die Klagequote, auch Prozessquote genannt, ist eine Kennzahl, die dabei helfen soll, zu beurteilen, wie zuverlässig ein Versicherer wirklich zahlt. Sie bildet ab, über wie viele Leistungsfälle Gerichtsverfahren geführt werden. Eine Quote von 2 Prozent bedeutet beispielsweise, dass in 2 von 100 Fällen ein Prozess geführt wurde.
Allerdings gibt es gute Gründe, wieso Sie vorsichtig dabei sein sollten, sich bei der Wahl eines Versicherers an der Prozessquote zu orientieren. Lesen Sie mehr dazu im Abschnitt „Wie sinnvoll ist die Klagequote als Auswahlkriterium?“.
So gehen Rechtsstreits mit dem Versicherer aus
Mehrere Analysehäuser werten regelmäßig aus, wie Prozesse um Berufsunfähigkeitsversicherungen ausgehen. Am häufigsten kommt es zum Vergleich mit dem Versicherer. Dass der Versicherungsnehmer gewinnt, ist der seltenste Ausgang (Quelle: Morgen & Morgen; Franke und Bornberg; GDV):
Vergleich | 64 % |
Versicherer gewinnt | 22 % |
Versicherer verliert | 9,5 % |
Rücknahme der Klage | 4,5 % |
Berufsunfähigkeitsversicherung – Beispiele für Gerichtsverfahren
Wann ist ein Tennislehrer berufsunfähig?
Das Gericht bestätigte einem selbständigen Tennislehrer, dass er wirklich berufsunfähig ist. Er hat eine chronisch entzündliche, fortschreitende Erkrankung des rechten Handgelenks und ist aufgrund der Schmerzen nicht mehr zu einem einzigen längeren Ballwechsel imstande. So kann er Schülern das Tennisspielen auch nicht mehr beibringen. Laut Gericht ändert hieran auch nichts, dass der Tennislehrer einmalig kurzfristig für eine Woche in einem Tenniscamp in Spanien mitgeholfen hat. Auch das Unterrichten von Kindern zwischen vier und sieben Jahren, für zwei Stunden an einem Tag in der Woche stellt seine Berufsunfähigkeit nicht infrage (Quelle: Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 12.02.2020, 5 U 42/19).
Arzt ist Arzt – korrekte Angaben bei den Gesundheitsfragen
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass ein Versicherungsnehmer die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt hat. Er hatte die Frage der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nach Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen der Psyche (zum Beispiel Depressionen, Angststörungen, Psychosen, psychosomatische Störungen) mit „nein“ beantwortet, da nur der Hausarzt von einer Erkrankung ausging und die entsprechende Diagnose nicht von einem Psychiater gestellt wurde. Er hätte sie jedoch, laut Gericht, mit „ja“ beantworten müssen, da es in diesem Fall unerheblich ist, wer die Diagnose gestellt hat. Der Versicherte musste in diesem Fall die Kosten des Rechtsstreits tragen (Quelle: Landgericht Berlin, Urteil vom 15.01.2020, 7 O 35/19).
Klagequoten: Berufsunfähigkeitsversicherer im Vergleich
Prozessquoten von 2023
Die Rating-Agentur Morgen & Morgen wertet regelmäßig Prozessquoten mehrerer großer Berufsunfähigkeitsversicherer aus und berücksichtigte dabei nur Prozesse, die:
Versicherer | Klagequote |
---|---|
Concordia Oeco | 0,00 % |
DEVK Eisenbahn a.G | 0,00 % |
Helvetia | 0,00 % |
Inter | 0,00 % |
Münchener Verein | 0,00 % |
Öfftl. Braunschweig | 0,00 % |
Provinzial | 0,38 % |
HDI | 0,41 % |
Debeka | 0,54 % |
DEVK | 0,55 % |
Sparkassen Versicherung | 0,70 % |
Barmenia | 0,72 % |
R+V | 0,82 % |
Swiss Life | 0,95 % |
Alte Leipziger | 1,01 % |
Nürnberger | 1,04 % |
Continentale | 1,06 % |
Baloise (ehemals Basler) | 1,07 % |
Generali | 1,07 % |
VGH Versicherungen | 1,18 % |
die Bayerische | 1,24 % |
AXA | 1,27 % |
DBV | 1,27 % |
ERGO Vorsorge | 1,42 % |
Deutsche Ärzteversicherung | 1,45 % |
LVM | 1,69 % |
VPV Lebensversicherung AG | 1,85 % |
Gothaer | 1,86 % |
Allianz | 1,93 % |
Condor | 2,08 % |
Standard Life | 2,27 % |
Zurich | 2,48 % |
Mecklenburgische | 2,50 % |
Bayern Versicherung | 2,70 % |
Dialog | 2,75 % |
Hannoversche Leben | 2,87 % |
LV1871 | 3,68 % |
Volkswohl Bund | 3,82 % |
Stuttgarter | 3,90 % |
Württembergische | 4,96 % |
HanseMerkur | 7,56 % |
CosmosDirekt | 8,28 % |
AachenMünchener | k. A. |
Canada Life | k. A. |
Community Life | k. A. |
Familienfürsorge | k. A. |
InterRisk | k. A. |
Itzehoer | k. A. |
myLife | k. A. |
Nürnberger Beamten | k. A. |
Öfftl. Berlin | k. A. |
Provinzial Nordwest | k. A. |
Signal Iduna | k. A. |
Süddeutsche | k. A. |
uniVersa | k. A. |
WWK | k. A. |
Auch interessant: Die Leistungsquote von Berufsunfähigkeitsversicherern
Neben der Prozessquote der Versicherer können Sie auch deren Leistungsquote vergleichen – auf unserer Seite zum Thema finden Sie die Leistungsquoten verschiedener Versicherer sowie eine Erläuterung zu deren Aussagekraft.
Wie sinnvoll ist die Klagequote als Auswahlkriterium?
Das sollten Sie bei der Prozessquote beachten
Lehnt der Versicherer Ihren Antrag auf BU-Rente ab, dann trifft Sie das meist in einer stressigen Situation: Sie können nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen und verlieren daher Einkommen. Viele sind dann auch gesundheitlich kaum in der Lage, einen langwierigen Prozess gegen den BU-Versicherer durchzuhalten. Eine hohe Klagequote spricht deshalb tendenziell gegen einen Versicherer. Trotzdem sollte für Sie die Klagequote nicht das einzige Entscheidungskriterium bei der Wahl eines Anbieters sein. Dies sind einige Gründe, die die Aussagekraft von Klagequoten relativieren:
So finden Sie die passende Berufsunfähigkeitsversicherung
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine sehr individuelle Angelegenheit, da Anforderungen und Kosten vor allem von der eigenen persönlichen Situation abhängen. Sie sollten sich daher nicht nur aufgrund der Prozessquote für einen Berufsunfähigkeitsversicherer entscheiden. Beziehen Sie am besten die folgenden Informationen mit ein, um den für Sie passenden Tarif und Anbieter zu finden:
Eigene Bedürfnisse und Möglichkeiten kennen
Das Wichtigste bevor Sie eine BU abschließen ist, dass Sie Ihre Bedürfnisse und finanziellen Möglichkeiten kennen. Wie hoch müsste zum Beispiel Ihre BU-Rente sein, damit Sie davon gut leben können? Wie viel Geld können Sie über einen längeren Zeitraum monatlich in eine Berufsunfähigkeitsversicherung einzahlen? Werden sich Ihre Lebensumstände in absehbarer Zeit ändern? Haben Sie Vorerkrankungen, die bei Vertragsabschluss angeben müssten?
An Testergebnissen orientieren
Beziehen Sie aktuelle Testergebnisse zu Berufsunfähigkeitsversicherungen mit ein. Nicht nur werden regelmäßig BU-Angebote für bestimmte Berufsgruppen getestet, sondern auch zum Beispiel Tarife anhand der Versicherungsbedingungen und des zu stellenden Antrags beurteilt. Lassen Sie sich nicht verunsichern: Es gibt mehrere Beispiele für Versicherer, die für besonders leistungsstarke Tarife bekannt sind und in unabhängigen Tests gut abschneiden, die aber gleichzeitig hohe Klagequote haben oder vorübergehend hatten.
Leistungsquote einbeziehen
Neben der BU-Prozessquote gibt es auch eine Leistungsquote der Berufsunfähigkeitsversicherung. Sie hilft bei der Einschätzung, in wie vielen Fällen ein Versicherer tatsächlich eine Berufsunfähigkeitsrente auszahlt. Wie bei der Prozessquote auch sollte die Leistungsquote nicht das einzige Kriterium für die Anbieterwahl sein. Wichtig sind ebenso die Versicherungsbedingungen und dass der Tarif zu Ihnen passt.
Vertragsbedingungen verstehen
Es ist wichtig, dass Sie verstehen, wann die Berufsunfähigkeitsversicherung in welchem Umfang leistet. Sonst kann es sein, dass Sie die BU mit falschen Erwartungen abschließen. Wir empfehlen Ihnen unbedingt, die Vertragsbedingungen gründlich zu lesen. Grundsätzlich sollten alle Regelungen und Klauseln sowie Definitionen im Versicherungsvertrag eindeutig und verständlich formuliert sein. Vage Formulierungen können sich sonst im Nachhinein negativ für Sie auswirken. Auf unseren Seiten können Sie sich auch in Ruhe über die Berufsunfähigkeitsversicherung, Vor- und Nachteile, Klauseln und Regelungen oder auch über Alternativen zur BU informieren.
Beratungsangebote nutzen
Bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es einiges zu beachten. Beispielsweise sollte der Vertrag möglichst keine abstrakte Verweisung, Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge enthalten. Als Laie kann man da schon mal schnell den Überblick verlieren. Setzen Sie daher auf Sicherheit, lassen Sie sich beraten und klären Sie Ihre Fragen mit einem unserer BU-Experten.
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