Das Wichtigste in Kürze
Das erwartet Sie hier
Mit welchen Herausforderungen Menschen mit Behinderung bei der Altersvorsorge konfrontiert sind und wie Erbschaften geplant werden können. Inklusive Tipps von Experten und betroffenen Angehörigen.
Inhalt dieser SeiteSo sind Menschen mit Behinderung gesetzlich abgesichert
Während einige Menschen mit Behinderung wenige Möglichkeiten haben, vorzusorgen, unterscheiden sich Möglichkeiten sowie Vor- und Nachteile von verschiedenen Arten der Altersvorsorge für andere nicht allzu sehr von der von Menschen ohne Behinderung.
Was bedeutet eine Behinderung für den Rentenanspruch?
Viele Menschen mit einer Behinderung zahlen in die gesetzliche Rentenversicherung ein – sei es durch Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt (also durch „herkömmliche“ angestellte oder selbständige Tätigkeiten) oder in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Damit erwerben sie Rentenpunkte und haben entsprechend im Alter einen Anspruch auf eine Rente.
Allerdings bleibt in der gesetzlichen Rente oft selbst mit einem durchschnittlichen Einkommen eine Lücke zwischen den Auszahlungen und dem tatsächlichen Bedarf im Alter. Das kann sich im Fall einer Behinderung noch durch unzureichenden Zugang zu gut bezahlter Arbeit verstärken sowie dadurch, dass man unter Umständen nur noch in Teilzeit arbeiten kann oder früher in den Ruhestand gehen muss.
Früherer Renteneintritt möglich
Unter Umständen können Sie als Person mit einer Behinderung bereits zwei Jahre früher abschlagsfrei in Rente gehen. Die Voraussetzung dafür sind:
Für Personen, die ab 1964 geboren sind, bedeutet das also, dass sie schon mit 65 statt erst mit 67 in Rente gehen können. Auch wer die Rente für Schwerbehinderte erhält, kann weiterhin Geld dazuverdienen. Seit 2023 gibt es dafür auch keine Obergrenze mehr.
Noch früherer Renteneintritt mit Abschlägen
Wenn sie Abschläge in Kauf nehmen (0,3 Prozent pro Monat, den sie früher in Rente gehen, maximal 10,8 Prozent) können sie weitere drei Jahre früher in Rente gehen (Quelle: Deutsche Rentenversicherung).
Werkstätten: Rentenansprüche trotz niedrigem Lohn
Wer in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder einem anderen geeigneten Leistungsanbieter arbeitet, bezieht in der Regel ein Entgelt weit unter dem Mindestlohn: Es beträgt häufig nur etwa 200 Euro monatlich.
Der Erwerb von Rentenansprüchen orientiert sich in diesem Fall jedoch nicht an dem tatsächlichen Arbeitslohn, sondern an einem gesetzlich festgelegten pauschalen Entgelt, das 80 Prozent der Bezugsgröße beziehungsweise der Bezugsgröße Ost beträgt. Im Detail erklärt und durch Beispiele verdeutlicht, finden Sie dies in der Broschüre „Reha und Rente für schwerbehinderte Menschen“ der Deutschen Rentenversicherung.
Wer bekommt Erwerbsminderungsrente?
Viele Menschen können jedoch schon lange vor dem Ruhestand nicht oder nur eingeschränkt arbeiten und können ihre Arbeitsfähigkeit auch durch Reha-Leistungen nicht wiederherstellen. Können sie mindestens fünf Pflichtversicherungsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung vorweisen und haben sie in dieser Zeit insgesamt mindestens drei Jahre lang Beiträge gezahlt, bekommen sie eine Erwerbsminderungsrente. Da die Erwerbsminderungsrente allein oft nicht reicht, um die Kosten im Alltag zu decken, müssen erwerbsunfähige Personen häufig auf private Vorsorge oder Sozialhilfe zurückgreifen.
Arbeitsunfähig nach der Reha – was tun?
Experten-Tipp:
Besondere Herausforderungen
„Häufig haben Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen kaum eine Möglichkeit zum adäquaten Schutz ihrer Finanzen. Hierfür müssen in diesen Fällen dann meistens ihre Mitmenschen aufkommen für den Fall, dass diese Personen arbeitsunfähig oder erwerbsunfähig werden. Zudem haben Menschen mit Behinderungen oftmals auch eine schlechtere berufliche Perspektive aufgrund Ihrer körperlichen oder geistigen Einschränkungen und somit auch nicht die Möglichkeit, in höhere Gehaltsgefilde vorzudringen.“
Private Altersvorsorge: Was lohnt sich trotz Behinderung?
Wer kann privat vorsorgen?
Theoretisch kann jeder für die Altersvorsorge vorsorgen. Personen mit Behinderung, die in geschützten Einrichtungen arbeiten, sind beispielsweise auch explizit förderberechtigt in der Riester-Rente. Allerdings steht in diesem Fall wenig frei verfügbares Einkommen für die Altersvorsorge zur Verfügung. Je nach Situation ist auch zu beachten, wie eigene Ersparnisse oder eine Altersvorsorge mit Ansprüchen auf Sozialhilfe und andere staatliche Leistungen interagieren.
Private Altersvorsorge: Diese Optionen gibt es
Experten-Tipp: So früh wie möglich anfangen
„Sobald eine klare berufliche Perspektive besteht, sollten sich alle Personen – ob behindert oder nicht – mit ihrer Vorsorge beschäftigen. Insbesondere aber bei gesundheitsrelevanten Themen wie einem Krankensystem, einer Berufsunfähigkeitsversicherung oder Unfallversicherung gilt: bestenfalls bereits im Kindesalter abschließen.“
Anrechnung auf Sozialhilfe
Auch wenn man privat vorsorgt, ist man im Alter unter Umständen trotzdem auf Sozialhilfe angewiesen. In diesem Fall stellt sich die Frage, inwiefern Ersparnisse oder private Altersvorsorge einen Vorteil bringen, wenn sie auf die Sozialhilfe angerechnet werden.
Nachrangprinzip
Denn bei der Sozialhilfe gilt das Nachrangprinzip: Man muss zuerst das eigene Einkommen beziehungsweise die eigenen Ersparnisse nutzen, bevor man Sozialhilfe bekommt. Geldanlagen, die Sie zuerst in Anspruch nehmen müssen, bevor Sie Sozialhilfe erhalten, sind unter anderem:
- Sparverträge
- Bankguthaben
- Kapitallebensversicherungen
- Aktien
- Erbansprüche
Empfänger von Sozialhilfe nach dem SGB XII haben jedoch Anspruch auf einen Schonbetrag von 10.000 Euro (gemäß der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des SGB XII).
Immobilien als Schonvermögen
Auch eine angemessene selbstgenutzte Immobilie gilt als Schonvermögen (Quelle: Stiftung Warentest). Sie sind also normalerweise nicht gezwungen, Ihre Wohnung oder Ihr Haus zu verkaufen, um Sozialhilfe zu erhalten, solange die Wohnfläche nicht zu groß ist.
Bei der Eingliederungshilfe – also Leistungen für die selbstbestimmte Lebensführung für Menschen mit Behinderung – gelten andere Anrechnungsregeln als bei der Sozialhilfe. Beispielsweise ist das Schonvermögen höher. 2024 beträgt es 63.630 Euro, also 150 Prozent der jährlichen Bezugsgröße (Quelle: Lebenshilfe).
Besondere Behandlung privater Altersvorsorge
Von privater Altersvorsorge profitieren Sie trotz des Angewiesenseins auf Sozialhilfe zumindest anteilig, solange Sie bestimmte Anforderungen erfüllt:
In der Ansparphase ist das Vermögen zumindest bei staatlich geförderter Altersvorsorge geschützt. Bei den Auszahlungen können Sie jedoch nur 100 Euro plus 30 Prozent der darüber hinausgehenden Zahlungen anrechnungsfrei behalten. Allerdings gilt das nur, bis die Hälfte der Regelbedarfsstufe 1 erreicht ist. 2024 beträgt diese 563 Euro. Entsprechend erhalten Sie monatlich maximal 281,50 Euro anrechnungsfrei (Quelle: Lebenshilfe). Sie bekommen also mehr Geld, als Sie ohne die Altersvorsorge hätten, aber unter Umständen nur einen Anteil der Rente.
Rechenbeispiel
Unsere Beispielperson bekommt aus einer privaten Altersvorsorge monatlich 300 Euro, ist jedoch zusätzlich auf Sozialhilfe angewiesen, auf die ihr Einkommen angerechnet wird. Sie bekommt also 160 Euro mehr, als sie ohne die private Vorsorge hätte.
Die Rechnung:
100 Euro
+ 30 Prozent von den übrigen 200 Euro
= 160 Euro
Lassen Sie sich das Kapital aus Ihrer privaten Altersvorsorge als Einmalzahlung statt monatlich bis ans Lebensende auszahlen, müssen Sie dieses vorrangig einsetzen.
Beispielfall:
Erwachsene Person mit Behinderung
Der Beispielfall
Wir gehen von einer 40-jährigen Person aus, die nach einer Erkrankung behindert ist. Sie kann weiterhin auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten und selbständig wohnen, aber musste die Arbeit, mit der sie bisher ein durchschnittliches Einkommen erzielte, auf Teilzeit reduzieren und wird wahrscheinlich vorzeitig in Rente gehen müssen. Sie hat bereits eine betriebliche Altersvorsorge, aber relativ geringe finanzielle Rücklagen und kein Wohneigentum.
Das rät der Experte
„Die Empfehlung hier lautet: Wenn möglich, die betriebliche Vorsorge weiter aufzustocken trotz Teilzeit. Somit hat man zumindest die Möglichkeit, gefördert zu investieren. Ansonsten muss die Frage sehr differenziert betrachtet werden, je nach Einkommenssituation. Es ist schwierig, hier Aussagen zu treffen, ob man mit 500 Euro netto arbeitet oder mit 2.500 Euro netto. Daher heißt es in solchen Fällen: Ausgaben möglichst minimieren und Sparraten fokussieren.“
Schwierigkeiten beim Versicherungsschutz
Nicht nur bei der klassischen Altersvorsorge stoßen Menschen mit einer Behinderung auf Hürden: Auch der Zugang zu bestimmten Versicherungen wie der Berufsunfähigkeitsversicherung oder einer privaten Pflegeversicherung (Ausnahme: Pflege-Bahr) kann erschwert bis unmöglich sein. Mehr dazu, was eine Behinderung unter Umständen für Ihren Versicherungsbedarf und Ihre Versicherungsoptionen bedeutet, erfahren Sie in unserem Ratgeber zu Versicherungen für Menschen mit einer Behinderung.
Praktische Tipps für Angehörige: Vorsorge und Testamentgestaltung bei Behinderungen
Während sich auch Menschen mit Behinderung in vielen Fällen um ihre eigene Altersvorsorge kümmern können, ist das in anderen Fällen nicht der Fall. In solchen Situationen sind es oft die Angehörigen, die sich um die langfristige Absicherung ihrer Verwandten mit einer Behinderung kümmern. Typisch ist zum Beispiel das Szenario, dass sich Eltern um die materielle Situation ihres behinderten Kindes nach ihrem Tod sorgen.
Beispielfall:
Eltern wollen für ihr Kind vorsorgen
Der Beispielfall
Wir gehen für diesen Fall von Eltern aus, bei deren Kleinkind eine Behinderung festgestellt wird. Es ist nicht klar, wie sich diese langfristig auswirken wird, aber Einschränkungen bei einer späteren Erwerbstätigkeit sind relativ wahrscheinlich. Die Eltern haben beide durchschnittliche Einkommen und unbefristete Arbeitsverträge, aber kein großes Vermögen.
Das rät der Experte
„Zinseszinseffekt nutzen ist das Stichwort. Je früher die Eltern anfangen, Gelder für das Kind bereitzulegen, desto höher ist der Zinseszinseffekt, der sich über Jahre hinweg abspielt. Damit kann es auch möglich sein, eine Immobilie zu finanzieren, um diese je nach Behinderung selbst zu nutzen oder auch zu vermieten und damit Kapital zu generieren. Es kommt dann darauf an, ob die Verwaltung der Immobilie möglich ist oder nicht. Ansonsten empfiehlt sich die Kapitalanlage auf dem Markt von einem erfahrenen Vermögensverwalter.“
Spezielle Lösung fürs Testament
Wenn die Eltern behinderter Kinder Eigentum vererben, kann es sein, dass dieses die Situation ihres Kindes nicht wesentlich verbessert, wenn das Kind Grundsicherung erhält und in einer Einrichtung wohnt, weil das Erbe auf Sozialhilfe und Eingliederungshilfe angerechnet wird. Es gibt jedoch die Möglichkeit, ein sogenanntes Behindertentestament zu verfassen, damit die Erben trotzdem einen Vorteil haben.
Wenn ohne ein Testament die gesetzliche Erbfolge eintritt oder wenn eine Person mit Behinderung ihren Pflichtteil bekommt, wird das Geld bis auf den Schonbetrag zur Entlastung des Sozialträgers genutzt.
Das gehört in ein Behindertentestament
Ein Behindertentestament enthält Regelungen für den Tod des ersten und zweiten Elternteils, die sicherstellen sollen, dass das Erbe eine Versorgung des behinderten Erben über Sozialhilfeniveau ermöglicht. Wichtige Regelungen darin sind unter anderem:
Wie genau das Testament gestaltet sein muss, hängt von den individuellen Besitz- und Familienverhältnissen ab. Einen ausführlichen Ratgeber zu diesem Thema mit detaillierten Erklärungen, wie so ein Testament funktioniert und was es zu beachten gilt, finden Sie beim Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen.
Erfahrungsbericht: Der Weg zum Behindertentestament
Wir haben mit Herrn N.* gesprochen, einem Familienvater, der vor einigen Jahren mit seiner Frau und professioneller Unterstützung ein Testament verfasst hat, das die besonderen Bedürfnisse ihres behinderten Kindes berücksichtigt. Sein Rat an andere Eltern:
Frühzeitig und transparent vorsorgen
Er empfiehlt Eltern, sich frühzeitig zu kümmern und nach Möglichkeit Konflikten vorzubeugen. „Um […] Probleme zu vermeiden, sollten die Eltern bei der Abfassung des Testaments alle Kinder einbeziehen, sie informieren und überhaupt größtmögliche Transparenz wahren.“
Juristische Unterstützung
Herr N. betont die dringende „Notwendigkeit einer anwaltlichen Beratung„. So ein Testament könne nicht von Laien erstellt werden, sondern erfordere fachkundige juristische Unterstützung. „Ansonsten kann das Testament zum Beispiel auch vom Sozialamt angefochten werden.“
Individuelle Situation beachten
In Herrn N.s Situation ging es hauptsächlich um Geld und kleinere Vermögenswerte, was die Angelegenheit vereinfachte. Er gibt jedoch zu bedenken, dass eine komplexere Familienkonstellation oder Immobilienbesitz andere Überlegungen erfordert hätten: „Bei Immobilien können andere Regelungen nötig sein. So kann es zum Beispiel sinnvoll sein, ein Haus bereits zu Lebzeiten an ein nicht behindertes Kind zu übertragen.“
Die Erfahrungen von Herrn N. zeigen: Mit frühzeitiger Planung, Einbeziehung aller Beteiligten und professioneller Beratung kann ein effektives Behindertentestament erstellt werden, das den besonderen Bedürfnissen eines behinderten Erbens gerecht wird.
*Anm. d. Red.: Name wurde abgekürzt, unser Interviewpartner möchte anonym bleiben.
Fazit
Die Altersvorsorge für Personen mit einer Behinderung weist einige Besonderheiten auf. Unter anderem ist bei einer schweren Behinderung ein vorzeitiger, abschlagsfreier Renteneintritt möglich. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Behinderung Altersvorsorge zur Herausforderung machen kann – beispielsweise, wenn der Zugang zu gut bezahlter Arbeit eingeschränkt ist. So kann der Fall eintreten, dass man im Alter auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen ist, auf die angespartes Vermögen oder Auszahlungen aus privater Altersvorsorge angerechnet werden. Allerdings kann man zumindest einen Anteil davon behalten.
Die Anrechnung auf Sozialleistungen ist auch ein Thema für Eltern, die sicherstellen wollen, dass ein möglichst großer Anteil ihres Erbes eingesetzt wird, um die Versorgung ihres behinderten Kindes in einer Behinderteneinrichtung zu verbessern, statt in erster Linie den Sozialträger zu entlasten. Diese zusätzliche Absicherung ihres Kindes können sie mit einem sogenannten Behindertentestament bewirken.
Frühzeitige Vorsorge ist wichtig!
Die meisten Behinderungen werden im Laufe des Lebens erworben (Quelle: Statistisches Bundesamt) und können, wie auf dieser Seite erläutert, zu erheblichen Hindernissen beim Aufbau eines Vermögens oder einer Altersvorsorge führen. Entsprechend sinnvoll ist es, sich so früh wie möglich für den Fall einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit abzusichern, solange man noch jung und gesund ist, und auch früh mit der Altersvorsorge zu beginnen.
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