Pflegegrad abgelehnt: So setzen Sie Ihr Recht auf Pflegeeinstufung durch

Das Wichtigste in Kürze

  • Um Leistungen der Pflegekasse und Unterstützung bei der medizinischen Betreuung zu erhalten, muss ein Antrag auf einen Pflegegrad gestellt werden.
  • Dies kann sich in manchen Fällen als durchaus schwierig herausstellen.
  • Denn der Medizinische Dienst (MD) erkennt nicht immer eine entsprechende Pflegebedürftigkeit an und weist Antragsteller mit einer Ablehnung ab.
  • Kommt es zu einer Ablehnung des Antrags auf Pflegeeinstufung, kann mit einer Frist von vier Wochen Widerspruch eingelegt werden.

Das erwartet Sie hier

Wie Sie Ihr Recht auf Pflegeeinstufung durchsetzen, wenn Ihr Pflegegrad abgelehnt wurde und was Sie dabei unbedingt beachten sollten.

Inhalt dieser Seite
  1. Erfolgreich Widerspruch einlegen
  2. Klage vor dem Sozialgericht
  3. Sonderfall: Demenz
  4. So prüft Medizinischer Dienst
  5. Fazit

So legen Sie erfolgreich Widerspruch ein

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Wurde der Antrag auf eine Pflegeeinstufung abgelehnt und stößt die erhaltene Ablehnung auf Unverständnis oder hegt man den Verdacht einer zu geringen Einstufung, können Antragsteller von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen. In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, dass der Pflegekasse der Widerspruch in schriftlicher Form innerhalb von vier Wochen zugeht. Beim Aufsetzen des Widerspruchsschreibens sollte die Mitteilung folgende Punkte enthalten:

  • Einlegen des Widerspruchs
  • Begründung, warum Widerspruch eingelegt wird
  • Bitte um Zusendung des Gutachtens des Medizinischen Dienstes

Prüfung des Gutachtens

Um Gewissheit über den Grund der Ablehnung zu erhalten, muss zunächst die Pflegekasse um Zusendung des Gutachtens des Medizinischen Dienstes gebeten werden. Im Rahmen der Prüfung ist dann zu klären, ob der Gutachter wirklich alle Hilfeleistungen aufgeführt hat oder einzelne Leistungen außer Acht gelassen worden sind. Nach einem eingereichten Widerspruch nimmt der Gutachter sein erstelltes Gutachten mit den beigefügten Unterlagen nochmals unter die Lupe und ändert eventuell seine Meinung. Beharrt er aber auf dem niedergeschriebenen Ergebnis, erhält der Pflegebedürftige innerhalb von vier bis sechs Wochen zum zweiten Mal Besuch von einem Gutachter. Dabei fällt die Erstellung des Zweitgutachtens jedoch nicht mehr in den Verantwortungsbereich des Erstgutachters. Stattdessen wird ein anderer Gutachter mit dem Fall betraut.

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Führen eines Pflegetagebuchs

Wenn nicht bereits ein Pflegetagebuch bei Erstantragsstellung geführt wurde, sollte spätestens jetzt damit angefangen werden. Im Pflegetagebuch werden sämtliche Pflegeschritte mit entsprechendem Zeitaufwand in Minuten dokumentiert. Dieses sollte bis zur zweiten Begutachtung geführt werden. Da es bei der Begutachtung auf Minuten ankommt, sollten auch Pflegeerschwernisse aufgeführt werden. Schließlich wirkt sich jede Erschwernis positiv auf den Zeitaufwand aus.

Mögliche Pflegeerschwernisse

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  • Spastische Lähmungserscheinungen
  • Unkontrollierte Bewegungen
  • Atemstörungen
  • Stark eingeschränkte Sinneswahrnehmung
  • Abwehrverhalten
  • Pflegebehindernde räumliche Verhältnisse

Interne Entscheidung der Pflegekasse

Im Allgemeinen entscheidet die Pflegekasse intern über einen Widerspruch. Dazu wird vom Medizinischen Dienst die entsprechende Stellungnahme angefordert. Wurde diese übersandt, entscheidet die Pflegekasse meist nach Aktenlage und ohne weitere Anhörung über das Schicksal des Betroffenen. Um dieser Art und Weise der Entscheidungsfindung zu entgehen, ist es hilfreich, Anlagen wie ein Pflegetagebuch, Kopien ärztlicher Atteste und Gutachten beizufügen. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, eine Reflexion der eigenen Sicht der Dinge anzugeben. In dem Fall sollte die Begründung eingehend auf das Gutachten des Medizinischen Dienstes eingehen, eventuelle Fehleinschätzungen aufzeigen und den benötigten Hilfebedarf verdeutlichen.

Das passiert bei einer Klage vor dem Sozialgericht

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Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben und kommt es zu einer erneuten Ablehnung des beantragten Pflegegrades, können Antragsteller innerhalb von vier Wochen Klage beim zuständigen Sozialgericht einreichen. Dieses Verfahren ist grundsätzlich kostenfrei, wobei es den streitenden Parteien freisteht, ob sie sich selbst vertreten wollen oder einen Rechtsanwalt hinzuziehen. Allerdings kann sich hier ein rechtlicher Beistand lohnen. Nach erhaltener Klage räumt das Sozialgericht auch der Pflegekasse die Möglichkeit ein, sich zum Sachverhalt zu äußern.

Gericht beauftragt Gutachter

Im Anschluss daran beauftragt das Gericht einen Gutachter mit der Prüfung. Dieser meldet sich dann bei dem klagenden Antragsteller mit dem Termin für einen Hausbesuch. Ähnlich wie der Gutachter des Medizinischen Dienstes beurteilt er die Lebenssituation auf Grundlage der Aspekte einer möglichen Pflegebedürftigkeit. Daraufhin erstellt er das Gutachten und sendet es an das Sozialgericht. Die Kosten hierfür trägt die Gerichtskasse.

Gründe für den Pflegebedarf plausibel vortragen

Im Rahmen der gerichtlichen Verhandlung sollte der Kläger vor allem pflegefachliche Gründe anführen. Schließlich geht es darum, den Sachverhalt plausibel vorzutragen. Umso mehr sollten sich Antragsteller bemühen, konkrete Unterschiede herauszukristallisieren beziehungsweise dem Gericht die Fehler des Gutachtens des Medizinischen Dienstes aufzuzeigen. Hierbei sollte in jedem Fall vorgebracht werden, warum der jeweilige Pflegebedarf höher ist als im Gutachten ausgewiesen. Wird die Widerspruchsbegründung anerkannt, erfolgt eine Einstufung in einen Pflegegrad oder eine Höherstufung.

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Verfahrenskosten werden erstattet

Das Verfahren bleibt für die Kläger kostenfrei. Lediglich für die Einschaltung eines Rechtsanwalts fallen unter Umständen Kosten an. Diese werden entweder mit einem genehmigten Prozesskostenhilfeantrag von der Gerichtskasse übernommen, oder von einer abgeschlossenen Rechtsschutz­versicherung.

Sonderfall: Pflegebedürftigkeit durch Demenz

An Demenz erkrankte Menschen sind häufig nicht mehr in der Lage, ihre Situation selbst zu beurteilen. Sobald ihnen ein Gutachter gegenübersitzt, tritt in den meisten Fällen der sogenannte Vorführeffekt auf und sie geben sich so gesund wie sie noch nie gewesen sind. Darüber hinaus werden jegliche im Antrag niedergeschriebenen Symptome abgewiesen und verneint.


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Anwesenheit von Pflegepersonal sinnvoll

Umso wichtiger ist es für Antragsteller, dass sie selbst bei der Begutachtung der Lebenssituation ihres Angehörigen anwesend sind. Im Rahmen der Begutachtung wird nicht nur die Krankengeschichte des Betroffenen berücksichtigt, sondern auch der Zustand des Angehörigen. Daher ist es durchaus ratsam, auch Mitarbeiter des betreuenden ambulanten Pflegedienstes dabei zu haben.

Krankheits­bild des Demenzkranken umfassend dokumentieren

Zur Beurteilung der geistigen Leistungsfähigkeit sollte vor dem Besuch des Gutachters ein Bericht vom Hausarzt eingeholt und ein fachärztliches Gutachten in Auftrag gegeben werden. Genauso wie bei anderen Pflegebedürftigen sollte auch hier damit begonnen werden, ein Pflegetagebuch zu führen. Neben der Dokumentation aller Pflegeschritte und dem zugehörigen Zeitaufwand wird auch notiert, wie oft der Demenzkranke an gewöhnliche Tätigkeiten wie zum Beispiel Toilettengänge erinnert werden muss. Werden diese Besonderheiten im Pflegetagebuch festgehalten, kann der Gutachter die Pflegebedürftigkeit besser nachvollziehen, sodass finanzielle Leistungen selbst bei körperlicher Unversehrtheit bewilligt werden können.

So prüft der Medizinische Dienst

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Obwohl eine offensichtliche Pflegebedürftigkeit des Betroffenen vorliegt, kommt es nicht selten vor, dass Anträge auf Pflegegrade abgelehnt werden. Im Zuge der Antragstellung wird oftmals davon ausgegangen, dass der Medizinische Dienst (MD) diesen nach eingehender Prüfung auch genehmigt. Häufig liegt man mit dieser Annahme jedoch falsch. Denn die Funktion des Medizinischen Dienstes beschränkt sich lediglich auf die Begutachtung der Lebenssituation des Pflegebedürftigen. Dabei nimmt der Gutachter zu bestimmten Punkten Stellung. Auf Grundlage dieser Einschätzung entscheidet dann die Pflegekasse, ob dem vorliegenden Antrag stattgegeben wird oder nicht.

Zu diesen Punkten nimmt der Medizinische Dienst Stellung

  • Voraussetzungen für die Pflegebedürftigkeit
  • Beginn der Pflegebedürftigkeit
  • Einstufung in einen Pflegegrad
  • Prüfung, ob ein außergewöhnlich hoher Pflegebedarf vorliegt
  • Vorliegen einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz
  • Umfang der Pflegetätigkeit der Pflegeperson

Wann leistet eine private Pflege­versicherung?

In den meisten Fällen zahlt eine private Pflege­versicherung auch erst dann, wenn eine Pflegebedürftigkeit anerkannt und offiziell ein Pflegegrad festgestellt wurde. Es gibt jedoch auch vereinzelt Versicherer, die ein eigenes Gutachten für die Bewertung der Pflegebedürftigkeit in Auftrag geben.

So funktioniert die private Pflege­versicherung

Fazit

Hält man die Ablehnung des beantragten Pflegegrades in den Händen, sollten man dies keinesfalls auf sich sitzen lassen. In dem Fall empfiehlt es sich Widerspruch einzulegen und mithilfe eines Zweitgutachtens doch noch zu seinem Recht zu kommen. Nützt auch das nichts, bleibt dem klagenden Antragssteller nur noch der Gang vor das Sozialgericht.


Die häufigsten Fragen zu Pflegegrad durchsetzen

Wie oft wird Pflegegrad abgelehnt?

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Bei fast jedem fünften Antrag auf einen Pflegegrad wird der Antrag abgelehnt. Zudem kommt es bei vielen weiteren Anträgen dazu, dass eine Einstufung in einen Pflegegrad erfolgt, der aus Sicht der Betroffenen zu niedrig ist.

Wann kann man erneut Pflegegrad beantragen?

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Wurde Ihr Antrag auf eine Einstufung in einen Pflegegrad abgelehnt, können Sie mit einer Frist von vier Wochen Widerspruch einlegen. Alternativ können Sie einen Neuantrag stellen. Dies ist jedoch erst nach sechs Monaten möglich.

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