So (un-)verständlich sind die Vertragsbedingungen von Versicherungen – Ein Experteninterview

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Kompliziert und schwer verständlich

Probleme mit unverständlichen Vertragsklauseln sind im Versicherungsbereich keine Seltenheit. Die AMC Finanzmarkt GmbH hat in Zusammenarbeit mit der H&H Communication Lab GmbH bereits in vierter Auflage eine Studie zur Verständlichkeit in den Vertragsbedingungen von Versicherungen veröffentlicht. Désirée Schubert, Studienleiterin des AMC, und Oliver Haug, Geschäftsführer des Communication Lab, erklären im Interview, wie es aktuell um die Verständlichkeit in den Vertragsbedingungen der Versicherer bestellt ist.

Frau Schubert, Herr Haug: Wie verklausuliert sind die Vertragsbedingungen der Versicherer?

Désirée Schubert
Désirée Schubert

Désirée Schubert: Wenn Sie mit verklausuliert kompliziert oder schwer verständlich meinen, dann können wir anhand unserer aktuellen Verständlichkeitsstudie sagen, dass genau dies auf die Bedingungswerke der Versicherer (AVB) zutrifft. Von verständlicher Sprache kann in AVB kaum die Rede sein.

Damit stoßen Verbraucher hier auf wichtige Informationen, die sie kaum verstehen können. Wir würden fast sagen, dass der Stempel „unverständlich“, sofern es ihn gäbe, als Warnung auf vielen AVB der Versicherer prangen müsste.

Versicherungs­bedingungen sind ja per se keine einfache Lektüre. Kann man sie trotzdem verständlich verfassen?

Schubert: Unbedingt! Wobei man natürlich klar sagen muss, dass eine AVB immer ein komplexes Dokument bleiben wird – auch wenn man die sprachlichen Komponenten vereinfachen kann. Aber die Ausrede, an juristischen Formulierungen dürfe nicht gerüttelt werden, können wir so nicht stehen lassen. Zumal Verbraucher und Verbraucherschützer die Verständlichkeit von Produkten und Services zunehmend fordern. Und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit seinem Verhaltenskodex der Branche explizit das Thema „verständliche Produkte“ mitgibt. Wir sind in unserer Studie auf einige Beispiele gestoßen, die klar zeigen, dass auch in Versicherungs­bedingungen eine verständliche Sprache möglich ist.

Können Sie uns aus Ihrer Studie einige positive Beispiele für Verständlichkeit in den Versicherungs­bedingungen von Versicherern nennen?

Oliver Haug
Oliver Haug

Oliver Haug: Erfreulicherweise gibt es einige positive Beispiele. Besonders hervor stechen zum Beispiel die AVB der Allianz, Basler [Anmerk. d. Red.: Jetzt Baloise], DKV, Ergo und HUK 24. Sie zeigen deutlich, dass auch in Versicherungs­bedingungen eine verständliche Sprache möglich ist.

Was machen diese Versicherer in ihren AVB anders als die anderen?

Haug: Zunächst gelingt es ihnen, typische Barrieren für die formale Verständlichkeit abzubauen. Das bedeutet, dass diese Versicherer in ihren AVB lange Sätze kürzen und komplexe und verschachtelte Satzstrukturen vereinfachen. Sie verwenden eine aktivere Sprache und nennen klar die Handelnden. Es werden Verben statt Nominalisierungen eingesetzt und, wenn möglich, lange zusammengesetzte Wörter aufgelöst.

Wer die Verständlichkeit und Leserfreundlichkeit steigern will, sollte aber unbedingt auch auf einen kontrollierten Einsatz von Fremd- und Fachwörtern achten. Dies ist jedoch – und das gilt im besonderen Maße für juristische Texte – eine große Herausforderung. Über all dem sorgt eine klare Gliederung für die geeignete Lesbarkeit und die schnelle Erfassbarkeit der Botschaften.

Können Sie uns an einigen Formulierungen zeigen, wie man es besser machen kann?

Haug: Gern, die folgenden Formulierungsbeispiele machen deutlich, wo die Unterschiede zwischen den gut und weniger gut bewerteten AVB liegen:

Beispiel: Tarifwechsel

So besser nicht: „Die Umwandlung des Versicherungsschutzes aus einem Tarif, bei dem die Beiträge geschlechtsunabhängig kalkuliert werden, in einen Tarif, bei dem dies nicht der Fall ist, ist ausgeschlossen.“

Besser so: „Der Wechsel in einen Tarif, bei dem die Beiträge geschlechtsabhängig kalkuliert werden, ist ausgeschlossen.“

Beispiel: Renten-/ Kapitalleistung

So besser nicht: „Bei Erleben des Rentenbeginns steht zu diesem Zeitpunkt eine garantierte Kapitalleistung zur Verfügung, im Folgenden garantierte Erlebensfallleistung genannt.“

Besser so: „Ihr Vertrag erbringt die folgenden Leistungen: a. Eine lebenslange Altersrente, wenn die versicherte Person zum Rentenbeginn lebt. Anstelle der Altersrente erhalten Sie optional eine Kapitalabfindung.“

Wie bewerten Sie insgesamt den Umgang der Versicherer mit dem Thema Verständlichkeit zum jetzigen Zeitpunkt?

Haug: Verständlichkeit und Transparenz treibt die Branche um und hat viele Unternehmen veranlasst, sich diesen Themen anzunehmen. Bislang achten aber immer noch zu wenige Versicherer auf Verständlichkeit – nicht nur in ihren AVB. Und das, obwohl das Thema bereits seit einigen Jahren öffentlich diskutiert und untersucht wird. Wir sind erstaunt, dass die Ergebnisse auch jetzt noch mehrheitlich unbefriedigend sind. Dabei liegt in verständlichen Bedingungen eine große Chance: Wer seine AVB verständlich gestaltet, unterstützt Transparenz und handelt im Kundeninteresse. Idealerweise ist die gesamte Kommunikation eines Versicherers an objektive Verständlichkeitskriterien gebunden.

Schubert: Wir gehen davon aus, dass Versicherer künftig verstärkt an ihrer Verständlichkeit arbeiten werden. Sie werden dies vor allem in der Überzeugung tun, dass Kunden zunehmend verstehen wollen, was sie kaufen. Immer mehr Kunden wissen eine Kommunikation auf Augenhöhe zu schätzen, die sich in einer verständlichen Sprache zeigt.

Vielen Dank für das Gespräch!

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In allen Verständlichkeitsstudien setzt Communication Lab die Software TextLab ein, um die Verständlichkeit von Texten objektiv und nach wissenschaftlichen Methoden zu messen. Grundlage der Bewertung der Verständlichkeit ist der von der Universität Hohenheim entwickelte Hohenheimer Verständlichkeit-Index.

Die AMC Finanzmarkt GmbH betreut über 100 Partnerunternehmen im AMC-Netzwerk und bietet Beratung, Arbeitskreise, Workshops, Tagungen, Studien und Seminare für Finanzdienstleister an.

Die H&H Communication Lab GmbH entwickelt als Institut für Verständlichkeit Lösungen für die Kommunikation von Unternehmen, Verwaltungen, Behörden und Universitäten.

Kontakt: AMC Finanzmarkt GmbH, Désirée Schubert, schubert@amc-forum.de, 0221 / 3985973.

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