„Mir war immer wichtig, dass ich den Menschen später noch in die Augen schauen kann.“

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Versicherungs­makler im Wandel der Zeit

Gert Sonk, 69 Jahre, hat von nach der Wende bis 2006 im Versicherungswesen gearbeitet. Im Interview gibt er uns einen Einblick in seine damalige Arbeitswelt, was ihm an seinem Beruf besonders wichtig war und was einen guten Versicherungs­makler seiner Meinung nach ausmacht.

Herr Sonk, wie sind Sie zu dem Beruf des Versicherungsvermittlers gekommen?

Gert Sonk
Gert Sonk

Gert Sonk: Mein früherer Job war mit der Wende weggebrochen. Ich war im Palast der Republik in der Veranstaltungsorganisation tätig. Nach der Wende kam dann ein großer Versicherer auf mich zu, bei dem ich dann einige Jahre gearbeitet habe. Da ging es darum, möglichst viele Versicherungen zu schreiben. Da blieb dann natürlich das Niveau mitunter auf der Strecke. Es war ja so, dass viele Ostdeutsche gar keine Versicherung hatten. Wir kannten Lebens­versicherungen, aber dieses ganze Portfolio der verschiedenartigsten Versicherungen war unbekannt.

Also war es günstig, treppauf, treppab die Leute zu besuchen und ihnen das zu offerieren. Da blieb leider mitunter das Niveau auf der Strecke, weil nicht alle exakt ausgebildet waren. So wurden Verträge abgeschlossen, die die Leute teilweise gar nicht bezahlen konnten. Ich war nicht fest angestellt, sondern musste von der Provision leben, die ich bekam. Ich habe da kein großes Geschäft gemacht. Mir war immer wichtig, dass ich den Menschen, denen ich die Versicherung verkauft habe, später noch in die Augen schauen kann.

Es gab leider viele, die später ihre Prämie nicht mehr einlösen konnten, was dann auch im Verwandten- und Bekanntenkreis eine ungute Rolle gespielt hat. Denn als wir eingestellt wurden, sollten wir eine Liste schreiben, mit Namen, die wir kannten. Denen sollten wir dann eine Versicherung verkaufen. Nach zwei, drei Jahren bekam ich dann das Angebot zur Festanstellung bei einem großen Versicherer im Kundenservice. Mir war wichtig, dass ich einen seriösen Job mache, dass ich eine Adresse hinterlasse, an der man mich bei Schwierigkeiten erreichen kann.

Stichwort Qualität: Was macht aus Ihrer Sicht einen guten Versicherungs­makler aus?

Sonk: Am besten ist natürlich, wenn man als Versicherungs­makler ein Büro hat, wo man erreichbar ist und wo die Leute auch persönlich hinkommen können. Man braucht außerdem ein breites Portfolio an Angeboten, damit man eben nicht nur mit einem oder mit zwei Produkten arbeitet und versucht, das allen aufzudrängen, weil das angeblich das Beste ist, was es gibt. Es gibt eine Menge Versicherungen und eine Menge Anbieter auf dem deutschen Markt, da ist es schon gut, wenn man dem Kunden kontinuierlich gute Sachen anbieten kann. Es ist wichtig, für die Kunden erreichbar zu sein, dem Kunden etwas Maßgeschneidertes zu offerieren und bei Problemen da zu sein.

Beispielsweise muss man ja eine Versicherung nicht kündigen, man kann sie auch beitragsfrei setzen. Oder man kann sie im Beitrag reduzieren. Den Kunden zu veranlassen, etwas zu kündigen, was er vor Jahren abgeschlossen hat, nur um dann bei mir etwas Neues abzuschließen, weil ich davon Provision verdiene, finde ich unehrenhaft und das habe ich nie gemacht.

Welche Vorteile bietet ein Versicherungs­makler gegenüber Direkt­versicherungen, die ja heutzutage auch einfach über das Internet abgeschlossen werden können?

Sonk: Ich bin ja nun schon 69. Ich würde mir Versicherungen nie im Internet heraussuchen. Junge Leute sind da ganz anders gestrickt, sie kaufen viel im Internet und sie informieren sich auch dort über Versicherungen. Aber unabhängig davon muss ich sagen, dass mir der persönliche Kontakt zu einem Menschen, der mir sympathisch und gleichzeitig vertrauenerweckend und kenntnisreich erscheint, besonders wichtig ist. Wo ich das Gefühl habe, er kann eine breite Palette offerieren und sucht wirklich für mich das individuell Beste heraus. Das sollte wichtig sein. Das bedeutet nicht, dass ich mich im Internet nicht informieren kann. Ich informiere mich auch über Ferienreisen im Internet, aber ich schließe dann bei meinem Bekannten, der mich schon lange betreut, im Reisebüro ab. Wahrscheinlich ist das in meiner Generation so üblich.

Wie sah Ihr Berufsalltag aus?

Sonk: Der große Versicherer, bei dem ich gearbeitet habe, hat sich einen Kundendienst geleistet. Mitarbeiter, die fest angestellt waren, mussten das bereinigen, was die anderen Strukturvertriebe so angerichtet haben. Da hatten zum Teil ganze Kolonnen bei den Menschen geklingelt, haben Verträge abgeschlossen und waren dann weg. Viele Kunden haben erst hinterher gewusst, was sie da abgeschlossen haben. Oder sie waren zu hoch veranschlagt oder konnten dann aus irgendwelchen Gründen, Arbeitslosigkeit und dergleichen, ihre Beiträge nicht mehr zahlen. Und da wurden wir in die Spur gesetzt. Wir bekamen dann Ausdrucke, welche Versicherungen der Kunde besitzt und das Schreiben, was er wünscht. Das Angenehme war, dass uns der Kunde ja angeschrieben hatte und deswegen war er auch nicht überrascht, dass sich die Versicherung bei ihm meldete. Das ist ein Unterschied zu dem, wenn ich klingele und sofort da bin und sofort von dem Kunden etwas will, dann überfalle ich ihn ja.

Nicht alle Versicherungen waren zu retten, aber bei vielen wurde eine Möglichkeit gefunden, den Vertrag weiterzuführen. Ich bin heute froh, dass ich den Leuten noch in die Augen schauen kann, denn die Versicherungen waren seiner Zeit ja noch viel höher verzinst, und diese Erstzinsen bleiben ja bei den Altverträgen. Mein Job war es nicht, in Autohäusern tätig zu sein, die mehrere hundert Euro bezahlen konnten, sondern es waren meist Leute, die ihre Lebens­versicherung schon mit 50 Euro nicht mehr bezahlen konnten, da war es dann schlecht, da noch eine Haftpflicht­versicherung et cetera aufzudrücken.

Was mochten Sie besonders gerne an Ihrem Beruf?

Sonk: Der Umgang mit den Menschen. Man hatte jeden Tag andere Menschen um sich. Wenn sich die Tür öffnete, hat man schon gesehen, ob der Kunde verärgert war, weil er den Abschlussvermittler, der ihm das aufgedrückt hatte, verflucht hat. Das Schöne war dann, wenn man im Gespräch den Kunden wieder beruhigt hat und auf einer normalen Ebene mit ihm reden konnte. Das war mein größtes Vorhaben. Es ist nicht immer gelungen. Es gab natürlich auch Leute, die die Tür wieder zugeknallt haben. Für mich war es trotzdem das Allerbeste, mit dem Kunden ein persönliches, nettes Verhältnis herzustellen. Das hat natürlich auch etwas mehr Zeit gekostet. Da waren auch viele Versuche dabei, die am Ende nicht zum Erfolg geführt haben. Das muss man mit einkalkulieren.

Welche Versicherungen sollte Ihrer Ansicht nach jeder haben?

Sonk: Auf alle Fälle eine Haftpflicht­versicherung. Ich staune immer, dass in Deutschland noch nicht alle eine haben. Ich habe gehört, nur so ungefähr 80 Prozent haben eine Haftpflicht­versicherung. Ich weiß nicht, wie die neuesten Zahlen sind. Aber das würde ja bedeuten: 20 Prozent aller Deutschen haben keine. Und es geht doch so schnell, dass man jemandem einen Schaden zufügt, ungewollt. Dass irgendetwas passiert. Auch eine Gebäude­haftpflicht­versicherung, für Eigenheime. Oder die Grundbesitzer­haftpflicht­versicherung. Wenn ein Baum mal umkippt im Garten und fällt beim Nachbarn ins Haus rein. Das sind alles solche Sachen. Ein Verkehrs­rechtsschutz ist ganz wichtig. Für Autofahrer natürlich oder Fahrzeughalter insbesondere. Ja, und auch die Risikolebens­versicherung. Da hat man keine großen Beiträge und ich mache etwas zur Absicherung meiner Frau und meiner Familie. Wenn mir mal was passiert, dass die zumindest für die erste Zeit abgesichert sind.

Und welche Versicherungen besitzen Sie selbst?

Sonk: Ich hatte mehrere Lebens­versicherungen, die sind aber jetzt bis auf eine ausgezahlt. Ich hab mich später geärgert, dass ich alle auf den 65. Geburtstag terminiert habe. Das war damals so üblich. Da wurde alles auf das 65. Lebensjahr geschrieben. Aus meiner heutigen Kenntnis hätte ich noch welche bis 70 und 75 durchlaufen lassen. Aber das wusste man damals nicht. Dass einem glücklicherweise ein längeres Leben offeriert ist. Und man noch relativ zinsgünstige Zuflüsse haben könnte. Verkehrs­rechtsschutz habe ich noch. Hausrat­versicherung und Haftpflicht­versicherung sowieso. Und dann habe ich noch eine Grundstücks­haftpflicht­versicherung für mein Wochenendgrundstück. Man muss das individuell immer anpassen und sehen: Was ist für einen wirklich wichtig, was braucht man.

Glauben Sie, dass die Deutschen besonders viele Versicherungen besitzen? Man sagt ja, wir sind so auf Sicherheit geeicht.

Sonk: Ja, ich hab den Eindruck, das Versicherungswesen ist sehr populär. Selbst in der DDR hatte ich eine Lebens­versicherung. Es war für meine Mutter klar, dass der Sohn eine Lebens­versicherung haben muss. Die hat zwar nur fünf Mark gezahlt im Monat und es war nichts, wo ich nach der Wende irgendein großes Paket rausbekommen hätte. Aber das war irgendwie eingebürgert. Und ich kenne viele Leute, die eine Lebens­versicherung haben. Und selbst in der Zeit, in der viel über die Lebens­versicherung geschimpft wurde, haben sich viele doch nicht beirren lassen. Ich glaube schon, dass in Deutschland eine relativ hohe Zahl an Versicherungsabschlüssen da ist, weil sich viele auch absichern wollen. Aber natürlich haben wir auch viele Extreme, die gar nichts haben. Und an die Leute muss man ran und denen das mal vernünftig erklären. Das ist dann ein Vorteil für beide Seiten.

Verfolgen Sie noch die aktuellen Veränderungen im Versicherungsbereich? Beispielsweise, welche Rolle das Internet heutzutage spielt?

Sonk: Ich verfolge das nicht mehr sehr. Ich guck mir natürlich manchmal diese Ratgebersendungen im Fernsehen noch an. Aber ich weiß, dass viele Strukturvertriebe abgebaut wurden und dass auch Agenturen zusammengeschlossen wurden. Die Versicherungen achten jetzt schon mehr auf die Ausgaben auch, es muss sich alles ein bisschen mehr rentieren. Und ich glaube schon, dass die Konkurrenz auch im Internet lauert und man da eben disponibel sein muss. Die Tendenz geht eindeutig zu den Versicherungsagenturen von einer Versicherung beziehungsweise zu den Maklern, die verschiedenste Versicherungsprodukte von verschiedenen Firmen anbieten können. Und das finde ich auch in Ordnung, und so müsste das auch sein.

Glauben Sie denn, dass Versicherungen bei jungen Menschen eher einen schlechten Ruf haben?

Sonk: Das kann ich schwer einschätzen. Auf alle Fälle gibt es Informationsbedarf, würde ich sagen. Und da muss man ran. Das muss man einfach hinkriegen, junge Menschen auch davon zu überzeugen. Ich glaube, da arbeiten die Versicherungen ja auch dran, ihnen Produkte anzubieten, die überschaubar sind, und wo man auch eine gewisse Nützlichkeit erkennt.

Vielen Dank für das Gespräch!

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