Versicherungsexperte: Deswegen trauen sich deutsche Versicherungen nicht an Bitcoins heran!

Das Wichtigste in Kürze

  • Versicherungen für Bitcoins wären ein lohnendes Geschäft, allerdings halten sich deutsche Versicherer noch zurück.
  • Die Anzahl der sich im Umlauf befindlichen Bitcoin steigt jedes Jahr – 2022 waren es mehr als 19 Millionen.
  • Marktanalysten schätzen jedoch, dass davon rund 20 Prozent unwiederbringlich verschwunden sind.

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Die ersten Versicherer aus den USA testen, wie gute Versicherungsprodukte für Kryptowährungen aussehen könnten. Die deutschen Versicherer halten sich zurück – und verpassen womöglich ein lohnendes Geschäft. Warum das so ist, erklärt Versicherungsspezialist Christian Achillius im Interview.

Inhalt dieser Seite
  1. Versicherungen für Bitcoins
  2. Interview: Christian Achillius

Versicherungen für Bitcoins

Icon Bitcoin Münzen

Die rasanten Kursentwicklungen von Bitcoin und anderen Kryptowährungen halten viele Anleger nach wie vor in Atem – trotz extrem hohen Verlustrisiken. Während im Februar 2017 noch gut 16 Millionen Bitcoins weltweit im Umlauf waren, sind es im November 2022 bereits mehr als 19 Millionen. Nach Schätzungen der Marktanalysten von Chainalysis sind davon allerdings zwischen 17 und 23 Prozent unwiederbringlich verschwunden. Ursache sind nicht nur Hacker-Angriffe, sondern zuallererst defekte Speichermedien, die die Bitcoins und andere Kryptowährungen nicht korrekt gespeichert haben.

Versicherung für Bitcoins ein lohnendes Geschäft

Für die Versicherungsbranche wären Produkte, die den Verlust der Bitcoins absichern, ein lohnendes Geschäft. Während sich erste Branchengrößen aus den USA und aus Japan bereits an ersten Produkttests versuchen, halten sich deutsche Versicherer allerdings auffallend bedeckt.

Versicherungsspezialist Christian Achillius von der BavariaDirekt erklärt im Interview, warum die deutschen Assekuranzen so zurückhaltend agieren – trotz der Gefahr, eine ganze Zielgruppe als Kunden zu verlieren.

Interview mit Versicherungsspezialist Christian Achillius

transparent-beraten.de: Unabhängig von Versicherungen: Wie schützt man sein elektronisches Vermögen allgemein am besten?

Christian Achillius: Für die Absicherung von Bitcoins und anderen Kryptowährungen gibt es verschiedene Lösungen. Neben der Aufbewahrung bei Online-Anbietern – von denen einige schon Hacking-Attacken zum Opfer gefallen sind – gibt es auch die Möglichkeit, das persönliche Wallet mittels lokaler Medien zu sichern (zum Beispiel via USB Ledger). Im Gegensatz zur Online-Variante wird das Wallet hier nur lokal auf dem USB-Stick gesichert. Hierfür gibt es verschiedene Anbieter (zum Beispiel Ledger oder Trezor), die ausschließlich für diese Aufbewahrung gedacht sind.

tb: Gibt es aktuell Möglichkeiten, seine Bitcoins oder andere Kryptowährungen zu versichern?

Achillius: Kursschwankungen von Kryptowährungen sind grundsätzlich nicht versicherbar, da diese für Versicherer nicht kalkulierbar sind. Insbesondere am Beispiel der Kursentwicklung von Bitcoins sieht man, wie schnell die Kurse sinken und wieder steigen können. Es gibt international erste Versicherer, die den Diebstahl durch Mitarbeiter oder Zahlungen mit Bitcoins absichern. Insbesondere Verluste durch Hacker-Angriffe oder den Verlust des eigenen USB-Sticks mit dem persönlichen Wallet sichert bis dato allerdings kein Versicherer ab. Auch hier wird es zukünftig sicher erste Absicherungslösungen deutscher Versicherer geben.

„Ein Risikoausgleich im Kollektiv ist nicht möglich.“

tb: Wieso ist es aktuell so schwierig, ein Versicherungsprodukt für Kryptowährungen wie zum Beispiel Bitcoins anzubieten?

Achillius: Grundgedanke einer Versicherung ist ja die Schätzbarkeit des zufälligen Risikos. Insbesondere bei Kryptowährungen lässt sich dies aber nur schwer bis gar nicht einschätzen, um daraus eine Prämie zu kalkulieren. Insbesondere das Kumulrisiko – der Schadeneintritt bei mehreren Versicherten auf Grund eines Ereignisses – ist im Gegensatz zu anderen Schadenereignissen um ein Vielfaches höher. Damit ist ein Risikoausgleich im Kollektiv, was ja dem Grundgedanken der Versicherungswelt entspricht, nicht möglich. Insbesondere Kursschwankungen werden damit auch weiterhin sicher nicht versicherbar sein. Gegebenenfalls wird es zukünftig weitere Anbieter zum Beispiel für die Absicherung des Verlusts oder den Diebstahl oder das Hacking geben.

tb: Man kann also sagen: Bitcoins sind für die Versicherer einfach zu schlecht einzuschätzen?

Achillius: Grundsätzlich: ja. Wenn sich ein Risiko kalkulieren lässt, wie zum Beispiel das Risiko des Diebstahls eines einzelnen USB-Sticks, dann ist eine Kalkulation sicher möglich. Das Risiko von Kursschwankungen hingegen ist, wie bereits erwähnt, nicht kalkulierbar.

„Die Nachfrage nach Absicherungslösungen ist in den USA größer.“

tb: Warum wagt sich die internationale Konkurrenz an Produkttests? Ist die Verlockung auf große Gewinne so groß, dass man dort risikobereiter ist?

Achillius: Die Frage ist grundsätzlich nicht so einfach zu beantworten. Das Thema Kryptowährungen – egal ob Bitcoin, Ethereum, Litecoin und so weiter – hat in den letzten Jahren immer mehr an Relevanz in Europa gewonnen. In den USA ist der Markt mit diesen Währungen um ein Vielfaches größer als zum Beispiel in Europa, was sicher auch eine Ursache dafür ist, dass dort bereits erste Produkte durch Versicherer verfügbar sind. Im gleichen Atemzug steigt damit auch immer die Nachfrage der Betroffenen nach passenden Absicherungslösungen. Auch bei Versicherungsprodukten spielt hierbei die Informationslage eine entscheidende Rolle bei der Kalkulation. Wer über entsprechend risikorelevante Daten für die Kalkulation verfügt, hat einen Vorsprung. Dies kann zum Beispiel auch einer der Gründe sein, warum es bereits erste Produkte von internationalen Versicherern gibt. Unabhängig davon ist es natürlich werbetechnisch immer gut, der erste mit einem Produkt zu sein.

tb: Wie könnte eine gute Bitcoin-Versicherung aussehen?

Achillius: Inwieweit eine Versicherung „gut“ ist, liegt natürlich immer im Auge des Betrachters. Die Absicherung von Kursschwankungen / Verlusten wird es auch in naher Zukunft nicht geben, da diese nicht kalkulierbar sind. Selbst das Diebstahlrisiko – wie eingangs erwähnt – wird nur zaghaft von ersten Versicherern angeboten. Insbesondere die Nachweisbarkeit des Verlustes der Höhe nach gestaltet sich für den Geschädigten als schwierig. Denkbar wären zum Beispiel Lösungen, die es bereits bei klassischen Kreditkarten gibt, mit entsprechend eingeschränkten Limits.

tb: Die Bitcoin-Werte schwanken stark: Welcher Wert wird als Grundlage für die Schadensregulierung genommen?

Achillius: Die Kurse von Kryptowährungen schwanken zum Teil in extrem kurzen Abständen. Eine Wertermittlung zum Zeitpunkt des Schadens gestaltet sich selbst damit als schwierig. Wenn der Geschädigte seinen Verlust beispielsweise nur einen Tag später feststellt, kann der Wert der Währung schon deutlich höher oder niedriger liegen. Auch hier gäbe es dann eine Grauzone, die gegebenenfalls missbräuchlich genutzt werden könnte.

„Nachweispflicht liegt nach wie vor beim Versicherungsnehmer.“

tb: Was passiert, wenn ich meine Bitcoins auf einem externen Speichermedium gespeichert habe und dieses geht in der Garantiezeit kaputt? Sind die Bitcoins dann versichert?

Achillius: Da es derzeit noch kaum Produkte gibt, die eine entsprechende Absicherung bieten, ist eine Einschätzung hierzu – Stand heute – schwierig. Vermutlich werden die Produkte so gestaltet sein, dass der Kunde im Rahmen seiner Obliegenheiten eine zumindest doppelte Absicherung haben muss. Sonst sind etwaige Streitigkeiten zwischen Versicherer und Kunde schon vorprogrammiert. Grundsätzlich ist aber nach wie vor der Versicherte nachweispflichtig. Hat man Bitcoins gekauft, so kann man den Besitz mittels kryptographischer Schlüssel nachweisen. Die Lagerung der Bitcoins erfolgt grundsätzlich in den eingangs beschriebenen Wallets. Zu jeder Transaktion gibt es eine digitale Signatur und es erfolgt eine Speicherung in der Blockchain. Wird also der Stick gestohlen, so muss der Eigentümer nachweisen, welchen Wert dieser hatte. Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe eine mögliche Entschädigung aussehen könnte, hängt vom jeweiligen Produkt und den Leistungen ab.

tb: Wie sieht es aus, wenn der Schaden nicht auf dem eigenen USB-Stick oder der eigenen Festplatte entstanden ist, sondern bei der dezentralen Datenbank, auf der die Werte notiert werden?

Achillius: Auch hier gilt: Der Versicherte muss sich Sicherheitskopien anlegen, um im Zweifel entsprechende Nachweise liefern zu können. Grundsätzlich würde dann – je nachdem, wie die Bedingungen aussehen – eine Einzelfallprüfung im Schadenfall stattfinden.

Zu Christian Achillius

Der Versicherungsspezialist Christian Achillius ist Key Account Manager bei der BavariaDirekt in Berlin. Zuvor leitete er die Abteilung „Sach­versicherungen“ bei finanzen.de. Achillius ist Fachwirt für Versicherungen und Finanzen.

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