„Es ist ein knallharter Job.“

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Es ist ein Vorteil, wenn man mit dem Kunden auf Augenhöhe ist

Sabine Stephan-Scharsich arbeitet gemeinsam mit ihrem Mann, Michael Scharsich, in einer Generalvertretung der Versicherungsgesellschaft Axa in Neuenhagen bei Berlin. Im Interview erzählt sie von positiven und negativen Eindrücken aus der Versicherungsbranche.

Frau Stephan-Scharsich, können Sie erklären, inwieweit Sie mit Versicherungen zu tun haben?

Sabine Stephan-Scharsich
Sabine Stephan-Scharsich

Sabine Stephan-Scharsich: Ich arbeite bei der Axa. Die Axa ist ein weltweit tätiger Konzern. Wir sind einer der größten Versicherer und Vermögensverwalter der Welt. Die Mitarbeiter sind die Angestellten, die Vermittler sind die Freiberufler. Wir sind eine Agentur, eine Generalvertretung. Wir arbeiten selbständig, aber ausschließlich für die Axa und für die Partnerunternehmen. Das ist unser Agenturvertrag und das ist unser Auftrag, den wir haben. Wir verwalten unsere Kunden alleine, das heißt, wir haben ein Computersystem, mit dem wir den Kontakt zu den Kunden halten. Wir policieren nicht.

Was reizt Sie an dem Beruf der Versicherungsvermittlerin und wie sind Sie dazu gekommen?

Stephan-Scharsich: Ich habe Außenwirtschaft studiert. In der DDR Außenhandel zu treiben, war das alleinige Recht des Staates. Mit der Öffnung 1990 fiel dieses Recht weg und man brauchte den Außenhandel nicht mehr. Da habe ich überlegt: Handel, Banken und Versicherungen – das gehört zusammen. Dann habe ich mich bei einer Versicherung und bei einer Bank beworben – und die Versicherung hat zuerst geantwortet. Das war damals Nordstern. Nordstern, Colonia, Albenia, DBV, sind zusammen in die Axa übergegangen. Die Nordstern-Versicherung hat mir eine Ausbildung in Köln angeboten.

Es war mir wichtig, nochmal einen Abschluss zu machen. Ich wollte den Beruf, aber auch das neue Wirtschaftssystem kennenlernen. Ich fand diese Herausforderung interessant, weil der Beruf alle Aspekte beinhaltete, weswegen ich Außenwirtschaft studiert hatte. Ich wollte mit Menschen arbeiten. Ich wollte Gespräche führen, wollte aber auch im Hintergrund diese Konzepte erstellen. Und das war alles gegeben. Anfänglich habe ich eine Gruppe von Nebenberuflern geführt. Das hat mir Spaß gemacht, das war auch das, was ich mir immer vorgestellt hatte. Und Versicherungen – wenn man das sauber und seriös verkauft – sind etwas Gutes.

Ich habe schon viele Menschen begleitet, wenn Leistungen fällig wurden. Es ist ein befriedigendes Gefühl, wenn das dann aufgeht. Und ich stehe immer noch dazu, dass ich sage, es gibt viele, die das nicht sauber machen. Wir haben aber durch die EU-Richtlinien dort nochmal einen guten Cut bekommen. In dem Sinne, dass wir alle eine Ausbildung haben müssen, dass wir nachweisen müssen, dass wir keine Schulden haben. Dass wir keine Delikte anhängig haben. Und dadurch ist das gut gereinigt worden. Was man auch merkt, denn es gibt weniger Vermittler. Einige haben deshalb aufgehört.

Sehen Sie Änderungen, die es in der letzten Zeit im Bereich der Versicherung gegeben hat?

Stephan-Scharsich: Einmal hat es, wie schon beschrieben, Änderungen für den Vermittler gegeben, zum anderen hat es Änderungen im Bereich der Produkte gegeben. Dieser Bereich ist sehr komplex geworden. Es ist sehr viel in einem Vorschlag enthalten. Ich erkläre es am Beispiel eines Autos: Als ich 1990 anfing, da haben wir erst mal noch gar nicht mit dem PC gearbeitet. Es gab ein Buch, das hieß „Tarifbuch“. Darin hat man nachgeschaut, wie viele Schadensjahre der Kunde hat, wie viele kW hat dieses Fahrzeug? Dann wurde das einfach rausgesucht. Das reicht heute gar nicht mehr. Es gibt Typenschlüssel, den Hersteller, wie viel fährt das Auto im Jahr, wer fährt mit dem Auto? Hat er es auf sich zugelassen oder noch auf jemand anderen? Solche Dinge.

Und dann natürlich viele Dinge, die in dem Schutz mit drin sind. Heute kann man neben einer Kfz-Haftpflicht­versicherung sich selbst als Fahrer noch mitversichern lassen. Ich kann Rabattretter mit reinnehmen. Dementsprechend habe ich auch mehr Fragen, die der Kunde beantworten muss. Möchte er einen Schutzbrief gleich von der Haustür an geltend haben? Oder erst nach 50 Kilometern? Das wird dann alles sehr viel, da kann es schon mal vorkommen, dass der Kunde sagt: Ich wollte eigentlich nur ein Auto versichern. Und das hat sich natürlich verändert, dass ich erkennen muss: Wie viele Informationen gebe ich? Andererseits ist es natürlich erforderlich, denn die Informationsblätter werden von uns an den Kunden ausgehändigt, und was will der mit den Informationen, wenn wir nicht darüber geredet haben. Die Ausbildung der Versicherungsvermittler muss dann natürlich auch umfassender sein, da ja die Tarife viel umfassender sind. Wir haben immer unsere Produktschulungen dafür. Denn es ist schlecht, wenn der Kunde besser über unsere Tarife Bescheid weiß als wir.

Aber auch durch die veränderte Sozialpolitik beziehungsweise die Reformen, die stattfinden. Wenn auf einmal die Witwenrente verändert wird. Oder wenn die Berufs­unfähigkeits­versicherung geändert wird. Dann haben wir ja einen politischen Auftrag. Zeitweise wurde zum Beispiel für Kinder in der gesetzlichen Kranken­versicherung kein Zahnersatz geleistet, dann wurde es wieder reingenommen, als dann andere Parteien die Regierung bildeten. Oder wenn der Garantiezins plötzlich auf 1,25 Prozent gesenkt wird. Dafür sind unsere Produkte nicht mehr ausgelegt. Also gibt es wieder neue Produkte, beziehungsweise wir müssen ganz anders beraten. Oder das Problem mit den Babyboomern, die ab 61 bis 68 geboren sind. Die gehen dann alle zusammen ins Alter und da kommt nicht so viel nach. Also Pflege wird ein ganz neues Thema. Und das werden die jungen Leute tragen müssen, wenn nicht genug vorgesorgt wurde. Da muss der Vermittler immer schnell reagieren.

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Rabattretter

Rabattretter können zur Kfz-Haftpflicht­versicherung und zur Vollkasko­versicherung hinzugefügt werden, um vor Beitragserhöhungen zu schützen. Rabattretter verhindern die Beitragserhöhung, die normalerweise erfolgt, wenn die Versicherung einen vom Versicherten selbst verschuldeten Schaden regelt. Der Versicherte hat durch den Rabattretter einen Freischaden pro Jahr. Eine Rückstellung in der Schadenfreiheitsklasse lässt sich damit allerdings nicht verhindern.

Welche Vorteile gibt es im Internet in Bezug auf Versicherungsabschlüsse?

Stephan-Scharsich: Ich finde der Vorteil ist wirklich, dass der Kunde sich informieren kann, dass er das auch nochmal testen kann, was ich ihm erzählt habe. Und ich finde immer, dass es ein Vorteil ist, wenn man mehr auf Augenhöhe ist. Wenn man sagen kann: Sie können sich das gerne nochmal nachlesen. Ich nutze das Internet ja selbst oft in anderen Bereichen.

Wie ist Ihre Erfahrung mit jüngeren Menschen? Interessieren die sich weniger für Versicherungen?

Stephan-Scharsich: Nein, das sehe ich nicht so, weil wir auch junge Kunden haben. Es gibt bestimmte Dinge, wo man eine Versicherung unbedingt braucht. Zum Beispiel beim Auto. Und das ist dann ja der Einstieg. Junge Leute lassen sich genauso beraten wie auch ältere Menschen. Ich finde es immer sehr spannend, weil wir ganz anders kommunizieren können. Ich bin auch gern auf diesem schnellen Weg. Ich kommuniziere gern über E‑Mail oder WhatsApp. Das nutzt ein junger Mensch mehr und dadurch haben wir da kurze Wege. Das funktioniert.

Junge Leute, die in den Beamtenstatus gehen, also Anwärter sind, brauchen bestimmte Versicherungen. Im Kranken­versicherungsbereich brauchen Beamte eine konforme Versicherung, zu dem, was sie als Beihilfe haben. Deswegen sehe ich das nicht so, dass junge Leute sich nicht interessieren. Bei der Altersvorsorge ist es etwas schwerer. Nur diejenigen, die klar denken, sagen: Ja, ich sehe es ein, dass ich jetzt 50 Euro zahle und später aber 500 Euro, um dasselbe zu erzielen. Wir haben eine gute Durchmischung von Altersgruppen. Man sagt ja immer, dass der Versicherungsvermittler Kunden hat, die so alt sind, wie er selbst. Wir haben auch ältere Kunden, aber wir haben auch einen gesunden Zuwachs an jungen Leuten.

Welche Versicherungen sollte man Ihres Erachtens nach unbedingt besitzen? Und welche besitzen Sie selbst?

Stephan-Scharsich: Was ich selbst habe? Da wäre es leichter, zu fragen, was ich nicht habe. Ich bin der Meinung, dass es eben die private Haftpflicht­versicherung ist, denn wir haften ja in Deutschland ohne Grenze und deshalb ist das eigentlich für mich die grundlegende Versicherung. Dann ist die Versicherung wichtig, die mich finanziell absichert, wenn meine Arbeitskraft versagt: Unfall, Berufs­unfähigkeit. Heute finde ich außerdem unabdingbar eine Pflege­versicherung, weil wir werden das als Gemeinschaft nicht mehr leisten können. Oder dann eben auf einem niedrigen Niveau. Das müssen wir uns alle bewusst machen. Als Absicherung noch meine Hausrat­versicherung, die Kfz-Versicherung, sonst bekomme ich ja gar kein Auto, wenn das nicht abgesichert ist.

Was als Selbständiger auch unabdingbar ist: die Altersvorsorge. Es tut keiner für einen und es wäre schlecht, wenn ich heute erst anfangen würde. Ich habe eine Existenzschutz­versicherung, weil ich es sehr gut finde, dass da alles drin ist. Da spare ich nicht, sondern der Schadensfall wird als Risiko genommen. Dieses Portfolio ist schon sehr wichtig. Wir haben außerdem eine Rechtsschutz­versicherung, wir sind ja freie Unternehmer, da braucht man das. Da kommt schon eine Menge zusammen. Deshalb ist es immer schwer zu sagen, das braucht man. Aber Haftpflicht­versicherung und Unfall­versicherung sind vielleicht die wichtigsten.

Sie arbeiten ja für die Axa. Freie Versicherungsvermittler betonen oft, dass der Vorteil von ihrer Tätigkeit ist, dass sie unabhängig sind. Was würden Sie darauf antworten?

Stephan-Scharsich: Das ist eine interessante Frage, weil ich für einen Makler gearbeitet habe. Das war ein Frauenfinanzbüro. Und dort habe ich Versicherungen gemacht. Deshalb kenne ich auch diese Seite. Ich habe da fast acht Jahre gearbeitet. Und ich weiß aus meiner Erfahrung, dass ich auch nicht mit allen Gesellschaften arbeiten kann. Denn wer kann das wirklich leisten, alle Tarife zu kennen? Also hat man da auch einen Ausschnitt. Und natürlich ist das so, wer zu uns kommt, der kriegt Axa-Produkte, DBV-Produkte. Bei der Aufstellung, wie viele Kunden wir haben, können wir da nicht so verkehrt liegen. Und ich biete immer ein Produkt an, was in fast allen Bewertungen oben liegt. Deshalb habe ich da gar kein schlechtes Gefühl. Wer das nicht möchte, hat immer noch die Wahl, woanders hinzugehen.

Also wird bei Ihnen nichts aufgeschwatzt?

Stephan-Scharsich: Nein. Möchte ich auch nicht. Ich mag das schon lieber, wenn man Partner ist. Man ist ja Vertragspartner. Ganz ehrlich: aufschwatzen, wie lange hält das Produkt oder hält der Vertrag? Das bringt nichts, finde ich. Es wird ja immer gesagt, dass auch ein Makler bestimmte Sachen bedienen muss, um mit dem Unternehmen zu arbeiten, muss bestimmte Zahlen bringen. Ich sehe es nicht ganz so.

Und meinen Sie, dass in dem Bereich, in dem Sie arbeiten, Frauen seltener anzutreffen sind als Männer?

Stephan-Scharsich: Ja, eindeutig. Das sehe ich ja, wenn wir Tagungen im Regionalbereich haben, wenn ich auf Schulungen und in Seminaren bin. Die Frage ist, warum?

Haben Sie darauf eine Antwort?

Stephan-Scharsich: Ja. Es ist ein knallharter Job. Der Außendienst ist ohnehin ein Job, der schwer ist. Weil man dieses Draußen-sein nicht unterschätzen darf. Also zu seinem Kunden hingehen. Man ist viel auf der Straße, man fährt viel rum. Das heißt, gerade wenn man eine Familie gründet, dass es schwer ist. Da hören viele auf. Man kann einen Termin haben um 16 Uhr und denkt, der ist 17 Uhr vorbei. Der Kunde will aber viel erzählen, will viel erfahren. Man ist um 18 Uhr noch nicht draußen. Ich kenne das. Dann ist die Kita schon fast zu und man ist im Oberstress. Dann kommt noch ein Stau hinzu, und so weiter.

Viele Partner mögen das nicht. Aber andersrum ebenfalls, das ist auch für die Männer nicht immer einfach. Es gibt oftmals späte Termine, weil da viele Leute Zeit haben. Auch am Wochenende. Es ist viel schwerer geworden, Geschäft zu schreiben. Es ist viel schwerer, den Lebensunterhalt so zu finanzieren. Da gehen viele lieber wieder in eine abhängige Beschäftigung. Ich glaube, dass der Bereich schon sehr männerdominiert ist, weil das immer noch anders zu regeln ist.

Und dieses Verlangen nach Sicherheit ist Ihrer Meinung nach der Grund, dass weniger Frauen in dem Bereich arbeiten?

Stephan-Scharsich: Ja, absolut. Denn bei unseren Auszubildenden sind wir mädchenüberlastig, also da sind mehr Mädchen als Jungs. Und wo bleiben die dann? Sie müssten ja irgendwo sein. Die gehen dann in den Innendienst, in Anstellung. Also haben die wenigsten eine eigene Agentur. Oder sie gehen in eine Agentur als angestellte Außendienstmitarbeiter. Und dann aber, wenn diese Familienphase kommt, dass man dann mit den Stunden kürzer geht. Bei den Studenten sind es auch mehr Frauen. Aber in den Vorständen – Axa hat einige Frauen und dies schon bevor die Frauenquote festgelegt wurde – haben nur die wenigsten von diesen Frauen Familie. Also man entscheidet sich.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Homepage der Axa-Generalvertretung in Neuenhagen bei Berlin: www.axa-betreuer.de/Michael_Scharsich

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