Versicherungsbetrug: So gehen Versicherer bei manipulierter Schadensmeldung vor

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Wie Versicherer einem Versicherungsbetrug auf die Schliche kommen und mit welchen Konsequenzen Versicherungsbetrüger rechnen müssen.

Inhalt dieser Seite
  1. So handeln Versicherer bei Betrug
  2. Wo beginnt Versicherungsbetrug?
  3. Beispiele für Versicherungsbetrug
  4. FAQ

Das Wichtigste in Kürze

  • Versicherer prüfen Schadensfälle sehr genau, um Betrugsfälle zu erkennen. Auch Gutachter und künstliche Intelligenz werden dazu eingesetzt.
  • Versicherungsbetrug ist eine Straftat, die je nach Schwere mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft wird.
  • Versicherungsbetrug führt auf lange Sicht in der Regel zu Beitragserhöhungen.

So wird Versicherungsbetrug geprüft und aufgeklärt

Verdachtsfall: Prüfung der Unterlagen

Entdeckt ein Sachbearbeiter bei der Bearbeitung eines Schadenfalls Ungereimtheiten, hält der Versicherer die Zahlung erst einmal zurück. Zudem werden vom Versicherungsnehmer weitere Unterlagen angefordert. Um den Verdacht zu entkräften oder zu erhärten, wird als Nächstes das Folgende geprüft:

Icon Lupe
  • Wurde der Versicherungsvertrag erst in den vergangenen sechs Monaten abgeschlossen?
  • Gab es in der letzten Zeit Vertragsänderungen?
  • Wie war das Zahlungsverhalten des Versicherungsnehmers?
  • Wurden vor der Schadensmeldung Fragen zum Versicherungsschutz gestellt?
  • Ist die Schadensmeldung schnell und vollständig nach dem Schadenszeitpunkt eingereicht worden?
  • Wurde der Schadenhergang vollständig und nachvollziehbar beschrieben?
  • Sind die Schadenunterlagen, Belege und Rechnungen vollständig und unauffällig?
  • Existiert die beschädigte Sache noch oder hat der Versicherungsnehmer diese vernichtet oder beseitigt?
  • Gibt es Zeugen und in welcher Beziehung stehen sie zum Versicherungsnehmer (Verwandte, Freunde oder ähnliches)?
  • Hat der Versicherungsnehmer in den vergangenen zwölf Monaten bereits andere Schäden gemeldet?

Einsatz von Künstlicher Intelligenz

Immer mehr Versicherer setzen auf künstliche Intelligenz (KI), um Versicherungsbetrug aufzudecken. KI kann in kurzer Zeit sehr große Datenmengen analysieren und so Betrugsmuster schneller erkennen, als ein menschlicher Sachbearbeiter. So wird KI aktuell schon von Versicherern eingesetzt:

  • Zur Entlarvung gefälschter oder manipulierter Schadenfotos, Rechnungen oder Dokumente
  • Zum Aufdecken widersprüchlicher oder betrügerischer Sprachmuster und Formulierungen
  • Zum Erkennen ungewöhnlicher und unplausibler Muster bei Schadensmeldungen oder Rechnungen

Findet die KI Auffälligkeiten, werden Sachbearbeiter darauf aufmerksam gemacht und können weitere Auskünfte zum Schadensfall und zu den von der KI hervorgehobenen Punkten vom Versicherungsnehmer verlangen (Quelle: Handelsblatt).


Erhärteter Verdacht: detaillierte Untersuchung und Gutachter

Erhärtet sich der Verdacht eines Versicherungsbetruges, wird den Hinweisen weiter auf den Grund gegangen. Hierbei werden zum Beispiel die folgenden Fragen geklärt:

  • Wurden Verwandtschaften oder Bekanntschaften von am Schadenfall beteiligter Personen verschwiegen?
  • Wurden in der Vergangenheit wegen Schäden häufig die Versicherung gewechselt?
  • Existieren Vorstrafen beim Versicherungsnehmer?

Einschalten eines unabhängigen Gutachters

Zusätzlich kann die Versicherung einen unabhängigen Schadengutachter beauftragen. Dieser analysiert den beschädigten Gegenstand, prüft die Schadenhöhe und führt Echtheitsprüfungen von Zertifikaten und Rechnungen durch. Im Zuge der Echtheitsprüfung untersucht der Sachverständige die Dokumente auf eventuelle Auffälligkeiten:

  • Sind die Pflichtangaben korrekt?
  • Existiert der Hersteller des beschädigten Gegenstandes?
  • Liegt eine Originalrechnung vor?
Icon Frau

Versicherungsbetrug: Strafanzeige

Erhärtet sich der Verdacht so weit, dass die Versicherung von einem Versicherungsbetrug überzeugt ist, kann sie eine Strafanzeige stellen. Daraufhin führt dann die Staatsanwaltschaft eigene Ermittlungen durch.

Icon Waage

Datenbank zur Prävention von Betrugsfällen

Um Versicherungsbetrüger auf frischer Tat zu ertappen, haben die im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) organisierten Versicherungs­unternehmen am 1. April 2011 eine Datenbank eingeführt: das sogenannte Hinweis- und Informationssystem (HIS). Hier sind sämtliche gemeldeten Schäden erfasst. Es soll die Versicherungsbranche bei der Aufdeckung und Vermeidung von Versicherungsbetrug und Missbrauch sowie bei Risikoprüfungen unterstützen.

Wo beginnt eigentlich Versicherungsbetrug?

Was gilt als Versicherungsbetrug?

Versicherungsbetrug ist eine spezielle Form des Betrugs und somit eine Straftat nach § 263 Strafgesetzbuch (StGB). Es handelt sich dann um Versicherungsbetrug, wenn ein Versicherungsnehmer versucht, durch Täuschung oder unwahre Behauptungen zu Unrecht Leistungen von seiner Versicherung zu erhalten. Bereits der Versuch ist strafbar.

Strafgesetzbuch (StGB) § 263 „Betrug“

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„(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“ (Quelle: Strafgesetzbuch, § 263).

Diese Strafen drohen

Die Strafen für Versicherungsbetrug hängen von der Schwere der Tat ab und reichen von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren. In besonders schweren Fällen können auch Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahre verhängt werden (Quelle: Strafgesetzbuch, § 263).

Icon Richterhammer und Gesetz

In jedem Fall müssen Versicherungsbetrüger jedoch davon ausgehen, dass die Versicherung den entsprechenden Versicherungsschutz kündigt.


Icon Sprechblasen

Versicherungsbetrug melden

Wenn Sie den Verdacht haben, dass eine andere Person Versicherungsbetrug begeht und Sie dagegen vorgehen möchten, haben Sie zwei Möglichkeiten: Sie können den Betrug zum einen dem Versicherer melden. Schildern Sie dem Versicherer detailliert die Gründe für Ihren Verdacht und legen Sie, falls möglich, Beweise bei. Zum anderen können sie Strafanzeige bei der Polizei erstatten.


Zehn Prozent Betrugsfälle jährlich

Laut der Versicherungsbranche ist jeder zehnte gemeldete Schadensfall verdächtig. Den dadurch entstehenden Schaden schätzen die Versicherer auf bis zu sechs Milliarden Euro jährlich. In den meisten Fällen wird dabei ein falscher Hergang des Schadens angegeben oder die Höhe des entstandenen Schadens wird übertrieben. Besonders bei der Kraftfahrt­versicherung ist Versicherungsbetrug häufig (Quelle: Gesamtverband der Versicherer).

Folge: höhere Versicherungsbeiträge

Große oder bandenmäßige Betrugsfälle ziehen mehr Aufmerksamkeit auf sich und landen eher in den Medien. Doch ein Großteil des Versicherungsbetruges wird von normalen Versicherungskunden begangen, die ihre Versicherung ein- oder zweimal um geringe Beträge betrügen. In der Regel werden nur selten Schäden von mehr als 250 Euro gemeldet. Diese Schäden summieren sich jedoch und am Ende fehlt den Versicherungen das Geld, um wirklich schwerwiegende Schadensfälle zu begleichen. Das zwingt die Versicherer dazu, alle Versicherungskunden mit höheren Versicherungsbeiträgen zu belasten.

Beispiele für Versicherungsbetrug

Häufige Arten von Versicherungsbetrug

In den meisten Fällen handelt es sich bei Versicherungsbetrug um eine der vier folgenden Arten:

  • Vorsätzlicher Schaden
    Der Versicherungsnehmer führt absichtlich einen Schaden herbei, um die finanziellen Folgen vom Versicherer übernehmen zu lassen.
  • Fingierter Schaden
    Der Versicherungsnehmer meldet einen Schaden, den es gar nicht gab.
  • Falsche Darstellung
    Der Versicherungsnehmer gibt einen falschen Hergang des Schadens an.
  • Übertreibung des Schadens
    Der Versicherungsnehmer meldet einen höheren Schaden als tatsächlich eingetreten, um eine höhere Auszahlung zu erhalten.

Beispiele für Versicherungsbetrug

Im Folgenden geben wir Ihnen einige Beispiele für Versicherungsbetrug in bestimmten Versicherungssparten:

  • Haftpflicht­versicherung
    Jemand lässt seinen neuen Laptop fallen, der dadurch kaputtgeht. Er bittet einen Freund darum, den Schaden bei seiner Haftpflicht­versicherung zu melden, um den Schaden erstattet zu bekommen.
  • Hausrat­versicherung
    Jemandem wird sein Fahrrad aus dem Keller gestohlen, das über die Hausrat­versicherung mitversichert war. Er reicht bei der Versicherung eine gefälschte Rechnung ein, bei der er den Kaufpreis des Fahrrads von 500 Euro auf 1.500 Euro geändert hat.
  • Kfz-Versicherung
    An einer schlecht einsehbaren Kreuzung fährt ein Pkw-Fahrer so in die Kreuzung ein, dass ein weiterer Fahrer, der die Vorfahrt zu beachten hat, nicht mehr rechtzeitig bremsen kann. Ein Komplize des ersten Fahrers gibt sich als unbeteiligter Zeuge aus.
  • Wohngebäude­versicherung
    Nach einem Leitungswasserschaden meldet ein Hausbesitzer zusätzliche Schäden an seine Wohngebäude­versicherung, die mit dem aktuellen Schadensfall nichts zu tun haben.
  • Unfall­versicherung
    Jemand schließt eine hohe Unfall­versicherung ab. Kurze Zeit später verletzt er sich mit Absicht selbst.

Gerichtsurteile wegen Versicherungsbetruges

Vorgetäuschter Unfall

Der Halter und Eigentümer eines Volvo XC 60 verlangte von seiner Haftpflicht­versicherung 11.200 Euro Schadenersatz. Sein auf einem Parkstreifen geparktes Auto soll durch einen Mercedes Sprinter beim Vorbeifahren gestreift und so beschädigt worden sein. Der Haftpflicht­versicherer konnte jedoch einen abgesprochenen Verkehrsunfall nachweisen und forderte vom Kläger die Reparaturkosten für den Sprinter und die für die Aufklärung der Unfallmanipulation angefallenen Sachverständigenkosten zurück – insgesamt 20.000 Euro. Der Schaden am Volvo war eigentlich beim Zurücksetzen des Sprinters entstanden – das konnte ein Sachverständiger nachweisen. Das Oberlandesgericht Hamm gab dem Versicherer Recht (Quelle: Oberlandesgericht Hamm, I-9 U 1/16).

Icon weißer Lkw

Lügen bei Brandursachen

Ein Versicherungsnehmer vergaß nach dem Kochen einen mit Fett gefüllten Topf auf dem angeschalteten Cerankochfeld. Als sich das Fett entzündete, entstand starker Rauch. Durch die starke Wärme und den Rauch kam es in mehreren Räumen zu Schäden. Der Versicherungsnehmer verlangte vom Versicherer knapp 20.000 Euro. Das Oberlandesgericht Osnabrück urteilte jedoch, dass er arglistig seine vertraglichen Pflichten verletzt hätte, da er dem Versicherer Tatsachen verschwiegen und falsche Angaben gemacht hätte. Der Versicherungsnehmer hatte dem Versicherer zweimal den Hergang des Schadens falsch dargestellt und behauptet, dass der Schaden durch einen technischen Defekt des Elektroherdes entstanden sei (Quelle: Oberlandesgericht Oldenburg, Az. 5 U 79/14).

Icon Feuerlöscher

Falsche Rechnung für Fahrrad

Ein Handybesitzer hatte seinem Handy­versicherer als Schaden gemeldet, dass sein Handy heruntergefallen und dabei in zwei Teile zersprungen sei. Der Versicherer zweifelte an diesem Schadenshergang. Nach Einschätzung eines Sachverständigen sei solch ein Schaden durch einen bloßen Aufprall auf dem Boden nicht möglich. Die Handy­versicherung forderte daraufhin rund 320 Euro für die Ermittlungskosten und für das Sachverständigengutachten vom Handybesitzer zurück. Das Amtsgericht Grimma folgte dem Versicherer in seiner Einschätzung (Quelle: Amtsgericht Grimma, Az. 4 C 134/07).

Icon Smartphone

Die häufigsten Fragen zum Thema Versicherungsbetrug

Was gilt als Versicherungsbetrug?

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Versicherungsbetrug liegt vor, wenn ein Versicherungsnehmer versucht, durch Täuschung oder unwahre Angaben unberechtigt Leistungen von seiner Versicherung zu erhalten. Dies kann beispielsweise das Vortäuschen eines Schadens oder die Übertreibung der Schadenshöhe sein.

Welche Strafen drohen bei Versicherungsbetrug?

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Versicherungsbetrug ist eine Straftat gemäß § 263 StGB. Die Strafen reichen von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren. In besonders schweren Fällen können sogar Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren verhängt werden.

Wie erkennen Versicherer einen möglichen Betrug?

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Versicherer nutzen verschiedene Methoden, um Betrugsversuche zu erkennen. Dazu gehören automatisierte Prüfverfahren, künstliche Intelligenz, das Hinweis- und Informationssystem (HIS) sowie die Beauftragung von Gutachtern oder Detektiven bei Verdachtsfällen.

Was passiert, wenn ein Betrug aufgedeckt wird?

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Wird ein Versicherungsbetrug nachgewiesen, kann der Versicherer den Vertrag kündigen und bereits ausgezahlte Leistungen zurückfordern. Zudem erfolgt in der Regel eine Strafanzeige, die zu einem Ermittlungsverfahren führt.

Wie häufig kommt Versicherungsbetrug vor?

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Laut Angaben der Versicherungsbranche ist etwa jeder zehnte gemeldete Schadensfall verdächtig. Die dadurch entstehenden Schäden werden auf bis zu sechs Milliarden Euro jährlich geschätzt.

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