Der Versicherungsbranche zufolge ist jeder zehnte gemeldete Schadensfall gar keiner. Unter 24 Millionen jährlich gemeldeten Versicherungsfällen finden sich 2,4 Millionen Fälle von Versicherungsbetrug. Bei den eingereichten Schadensmeldungen geht es oftmals um Kratzer im Autolack oder auch höhere Versicherungsschäden. Nach Meinungen der Versicherungsbranche zu urteilen, bescheren ihnen diese trügerischen Verhaltensweisen, allein in der Schaden- und Unfallversicherung, Mehrkosten von jährlich vier Milliarden Euro.
Bagatelldelike summieren sich
Dabei besteht das Problem der Versicherung in der Falldarstellung des Versicherungsnehmers. Denn dieser zeigt den Vorfall als Bagatelldelikt an, sodass dem Versicherungsunternehmen die Hände gebunden sind. In der Regel werden nur selten Schäden von mehr als 250 Euro zur Schadensanzeige gebracht (oftmals Haftpflichtschäden), wodurch die Haftpflichtversicherung zur Schadensersatzleistung verpflichtet wird. Mit der steigenden Anzahl kleiner Schadensfälle fehlt den Versicherungen am Ende das Geld für wirklich schwerwiegende Schadensfälle. Eben diese trügerischen Machenschaften zwingen die Versicherungen dazu, ihre ehrlichen Versicherungskunden mit höheren Versicherungsbeiträgen zu belasten.
Um die Täter auf frischer Tat zu ertappen, haben die Versicherungen untereinander ein Netzwerk gebildet. Dementsprechend haben sie eine Datenbank eingeführt, die sämtliche Schäden erfasst: Das sogenannte Hinweis- und Informationssystem (HIS). Das am 1. April 2011 ins Leben gerufene Hinweissystem soll die Versicherungsbranche bei der Aufdeckung und Vermeidung von Versicherungsbetrug und Missbrauch sowie der Risikoprüfung unterstützen. Auf die Weise können die Interessen des ehrlichen Versicherungskunden geschützt werden.
Schadenaufklärung schreckt Versicherungsbetrüger ab
Ob es sich bei der eingereichten Schadensmeldung wirklich um einen Fall für die Versicherung handelt, können die Versicherer mithilfe eines Verfahrens, der Schadenaufklärung, ermitteln.
Das Verfahren trägt zur Aufklärung des Versicherungsbetrugs bei und hilft diesen zu bekämpfen. Stellt sich nach ausgeführter Schadenaufklärung heraus, dass der eingereichte Schaden ein Versicherungsbetrug war, schrecken Übeltäter vor einem weiteren Versuch zurück. Damit Ermittler eine Schadenaufklärung erfolgreich ad acta legen können, müssen sie ein Gespür für Betrugssituationen und alle möglichen Einflussfaktoren sowie Schadenmöglichkeiten untersucht haben.
Verfahren der Schadenaufklärung
Bei der Betrugsaufklärung leiten sie folgende Schritte ein:
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Verdacht muss geklärt werden
Zu Beginn einer eingereichten Schadensanzeige entsteht dem Sachbearbeiter zunächst ein Verdacht, ob es sich tatsächlich um einen Regulierungsfall handelt. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, ob sich der Verdacht erhärtet oder entkräftet wird. In dem Fall stellt der Sachbearbeiter folgende Kriterien auf den Prüfstand:
- Verträge
- Vorschäden
- Vertragsänderungen
- Zahlungsverhalten
- Schadenunterlagen
- Schadenanzeigen
- Belege und Rechnungen
Etwaige Schadenauffälligkeiten werden nicht nur anhand der vorliegenden Unterlagen untersucht, sondern auch im Hinblick auf die Antworten folgender Fragen:
- Gibt es Zeugen? Welche Beziehung besteht zu dem Antragssteller, Verwandtschaft, Freundschaft etc.?
- Wurden vor der Schadensmeldung Fragen zum Versicherungsschutz gestellt?
- Kam es in den vergangenen zwölf Monaten bereits zu Schadensfällen?
2. Prüfung der eingegangen Unterlagen
Bereits bei Prüfung der eingereichten Schadenunterlagen kann ein Betrugsfall aufgedeckt werden. Denn die eingegangen Dokumente geben oftmals Hinweise auf das Motiv des Schadens. Neben der Überprüfung lässt sich ein möglicher Versicherungsbetrug auch anhand folgender Fragen aufdecken:
- Wurde der Versicherungsvertrag erst in den letzten sechs Monaten abgeschlossen?
- Ist die Schadensmeldung zügig und vollständig nach Schadenszeitpunkt eingereicht worden?
- Ist der Antragssteller über den Schadenhergang vollständig im Bilde?
Bei der Prüfung des eigentlichen Schadenhergangs, seinem Umfang und Eintritt, fängt häufig die Fassade der Antragsteller an zu bröckeln. Sie demonstrieren ein verdächtiges Verhalten, verhaspeln sich in ihren Aussagen und hinterlassen ungewollt Spuren ihres versuchten Versicherungsbetrugs:
- wenig informationsträchtige Aussagen zum Schaden
- Rechnungen, die nicht den Schadensgegenstand betreffen
- Vernichtung oder Beseitigung der beschädigten Sache
3. Bei Erhärtung des Verdachts wird weiter geforscht
Erhärtet sich der Verdacht eines Versicherungsbetrugs, gehen Sachbearbeiter den Hinweisen weiter auf den Grund. Hierbei stehen folgende Aspekte im Fokus ihrer Ermittlungen:
- Verschweigen von Bekanntschaften fallbeteiligter Personen
- Häufiger Versicherungswechsel wegen Schäden
- Existenz von Vorstrafen
Sachverständige prüfen Beschaffenheit der beschädigten Sache
Im Gegensatz dazu, kann der Sachbearbeiter, bei einigen Tätigkeiten auch Sachverständige in die Ermittlungen einbeziehen:
- Analyse des beschädigten Gegenstands
- Prüfung der Schadenhöhe
- Echtheitsprüfung von Zertifikaten und Rechnungen
Im Zuge der Echtheitsprüfung untersucht der Sachverständige die Dokumente auf eventuelle Auffälligkeiten:
- Sind die Pflichtangaben korrekt?
- Existiert der Hersteller des beschädigten Gegenstands?
- Liegt eine Originalrechnung vor?
Ob es sich bei der vorliegenden Rechnung um das Original oder doch eine Fälschung handelt, lässt sich mit speziellen Farb- und Infrarot-Video-Bildsystemen ermitteln. Durch den Einsatz des Infrarot-Lichts erkennt man problemlos Fälschungen bzw. Veränderungen an Dokumenten.
Möglichkeiten gegen Versicherungsbetrüger vorzugehen
Wird nach Schadenaufklärung ein Versicherungsbetrug aufgedeckt, kann der Versicherer gegen den Betrüger eine Strafanzeige erstatten und zivilrechtliche bzw. strafrechtliche Maßnahmen einleiten:
Bei Anwendung des zivilrechtlichen Strafmaßes drohen dem trügerischen Versicherungsnehmer folgende Konsequenzen:
- Zahlungsverweigerung durch die Versicherung
- Verlust des Versicherungsschutzes
- Rückforderung der bereits bezahlten Leistungen und entstandenen Kosten
Konsequenzen des Strafrechts
Im Gegensatz dazu erwarten den Versicherungsnehmer innerhalb des Strafrechts folgende Auswirkungen:
- Strafanzeige
- Bei Verurteilung Geldstrafen oder Haftstrafen zwischen fünf und zehn Jahren
Fazit
Von dem Versuch einen Versicherungsbetrug zu begehen ist grundsätzlich abzuraten. Schließlich haben die Versicherungen mit ihrem Verfahren zur Schadensaufklärung ein zielsicheres Instrument, welches die Lügen flinker Betrüger entlarvt.