Behandlungsfehler im Krankenhaus – Interview mit einer Betroffenen

Foto von Nina Bruckmann
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Jedes Jahr Tausende Behandlungsfehler in Deutschland

In Deutschland werden jedes Jahr mehrere Tausend Behandlungsfehler festgestellt. Auch unsere Redakteurin Maria hat schon zweimal schlechte Erfahrungen mit der medizinischen Behandlung im Krankenhaus gemacht. Die Erste gleich bei ihrer Geburt.

Hallo Maria! Erzähl uns bitte, welche Erfahrungen du mit Behandlungen im Krankenhaus gemacht hast. 

Maria: Die schlimmste Erfahrung, die ich im Krankenhaus gemacht habe, war meine Geburt, denn ich bin halbseitig gelähmt zur Welt gekommen. Mir wurde dadurch mit der Geburt ein Stück Lebensqualität genommen.

Was tun bei Behandlungsfehlern im Krankenhaus?

Was genau ist bei deiner Geburt passiert?

Maria: In der Nacht meiner Geburt sind meine Eltern in das am nächsten gelegene Krankenhaus gefahren. Weil es in der Nacht zu viele Geburten gab, war kein Arzt frei. Mich musste deshalb ein Pflegeschüler holen. Dadurch, dass keine Pflegekräfte da waren, die wussten, wie man ein Kind zur Welt bringt, kam es dann zu Komplikationen während der Geburt. Ich habe im Mutterleib zu wenig Sauerstoff bekommen und die Geburt war sehr lang und kompliziert.

Nach der Geburt wurde meinen Eltern gesagt, dass alles in Ordnung sei mit mir, es könnte lediglich sein, dass ich eine Schwäche auf der einen Körperseite hätte. Auf Nachfrage meiner Eltern kam nur die oberflächliche Antwort, dass es zu Komplikationen gekommen sei. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass durch ein Blutgerinnsel mit Wasseransammlung im Gehirn die Feinmotorik auf meiner rechten Körperhälfte beschädigt wurde.

„Die einzige Aussage war, dass es Komplikationen gab, aber nichts Gravierendes.“

Wann wurde der Grund für die Behinderung festgestellt?

Maria: Das wurde erst im Nachhinein festgestellt. Nachdem ich geboren wurde, wollten meine Eltern diese „Komplikationen“ nicht auf sich sitzen lassen. Sie wollten allerdings auch nicht gegen die Ärzte vorgehen, weil sie dachten, wenn sie gegen das Krankenhaus vorgehen, bekommt das Kind später keinen Arzt. Der Gedanke meiner Eltern war, dass kein Arzt ein Kind annimmt, das gegen ein Krankenhaus geklagt hat. Das kann man aus heutiger Sicht wohl eher nicht nachvollziehen.

Aber dadurch, dass sie die deutsche Sprache noch nicht gut verstanden haben und auf sich gestellt waren, haben sie auf diese Weise gedacht. Später waren wir dann beim Arzt, wo ich komplett untersucht wurde. Da wurde dann in meinem Kopf an einer Stelle eine Art großer Wasserfleck gefunden. Dieser Fleck sitzt genau am Bewegungszentrum und löst diese Behinderung aus. Deshalb kann ich mich teilweise nicht beziehungsweise nur eingeschränkt bewegen.

Also haben die Krankenhausärzte deinen Eltern keine vernünftige Auskunft über deinen Gesundheitszustand gegeben?

Maria: Nein, deren einzige Aussage war, dass es zwar Komplikationen gab, aber nichts Gravierendes. Erst als ich anfing zu krabbeln, haben meine Eltern bemerkt, dass ich ein Bein immer hinter mir hergezogen habe. Die halbseitige Lähmung beziehungsweise Hemiparese wurde erst später von Ärzten festgestellt.

„Die Krankenkasse sagte, meine Behinderung sei nicht schlimm genug für eine Kostenübernahme der Krankengymnastik.“

Wie wurde beziehungsweise wird diese Behinderung behandelt?

Maria: In meinen ersten 18 Lebensjahren habe ich Ergotherapie und Krankengymnastik bekommen und ich hatte eine Operation zur Korrektur der Fußstellung. Allerdings ist es jetzt, ein paar Jahre später, so, dass der Fuß zu stark in die andere Richtung zeigt. Es müsste jetzt also noch mal operiert werden. Seit ich 18 bin, habe ich keinen Anspruch auf Krankengymnastik mehr und es ist sehr schwer, sich selbst zur Gymnastik zu motivieren.

Du hast mit 18 den Anspruch auf die Bezahlung der Krankengymnastik verloren?

Maria: Genau. Die Krankenkasse begründete das damals damit, dass meine Schädigung nicht gravierend genug sei. Ich habe immer wieder durch verschiedene Ärzte versucht, diesen Anspruch wieder zu erhalten, aber die Krankenkasse blieb bei ihrer Aussage, dass die Behinderung nicht schlimm genug für eine Kostenübernahme sei. Ich müsste wahrscheinlich mit einem halben Bein bei der Krankenkasse auftauchen, damit ich eine Kostenübernahme bezahlt bekomme.

Hättest du gerne das Krankenhaus beziehungsweise den behandelnden Arzt verklagt oder haben deine Eltern mal darüber nachgedacht?

Maria: Meine Eltern haben nie darüber nachgedacht. Ich habe mich schon darüber informiert und hatte Fälle gesehen, bei denen das Schmerzensgeld bis zu 500.000 Euro hoch war. Das ärgert einen dann natürlich. Die Einschränkung wäre zwar geblieben – die Lebensqualität ist aber natürlich mit 500.000 Euro höher als ohne. Ich hätte es auf jeden Fall gut gefunden, wenn meine Eltern das Krankenhaus verklagt hätten. Auch wenn es nur ein geringes Schmerzensgeld gewesen wäre – das Krankenhaus wäre zur Rechenschaft gezogen worden.

„Als meine Eltern mich im Krankenhaus besuchen kamen, haben sie mich kaum wiedererkannt.“

War das deine einzige Begegnung mit Behandlungsfehlern oder ist dir so etwas noch mal passiert?

Maria: Ja, 20 Jahre später hatte ich tatsächlich noch einmal Probleme mit der Behandlung im Krankenhaus. Ich hatte eine entzündete Blase am Fuß und musste aufgrund einer daraus entstandenen schweren Blutvergiftung ins Krankenhaus. Das gleiche übrigens, indem ich auch geboren wurde. Dort wurde ich mit allen möglichen Medikamenten behandelt, auch mit Wassertabletten. Mir ging es sehr schlecht und ich hatte derartig schlimme Wasseransammlungen, dass ich irgendwann aussah wie ein Ballon.

Als meine Eltern mich im Krankenhaus besuchen kamen, haben sie mich kaum wiedererkannt. Die Ärzte haben ihnen erklärt, dass das so richtig sei. Auf mehrmaliges Nachfragen hin und nach der Androhung, das Krankenhaus zu wechseln, wurden dann weitere Untersuchungen gemacht. Es kam heraus, dass durch die Medikamente mein Herz enorm geschwächt war, wodurch ich eine Herzmuskel­entzündung bekommen hatte. Anschließend wurde ich dann zur Reha geschickt, damit mein Herz wieder gesund wird. Ich will nicht wissen, was passiert wäre, wenn meine Eltern in diesem Fall nicht eingegriffen hätten.

Was würdest du Menschen empfehlen, die ähnliche Probleme mit Ärzten oder Krankenhäusern haben?

Maria: Wenn ein Behandlungsfehler vermutet wird, würde ich immer als Erstes die Zweitmeinung eines Arztes einholen. Wenn die Behandlung im Krankenhaus zu wünschen übrig lässt und auch bei Bitte um Änderung gleich bleibt, dann sollte man auf jeden Fall das Krankenhaus wechseln. Wenn du nachweislich eine Schädigung durch die Behandlung im Krankenhaus oder durch einen Arzt erlitten hast, dann sollte der nächste Weg zum Rechtsanwalt führen. Aber auch die Kranken­versicherung kann in so einem Fall helfen.

Zum Ratgeber: Was bei einem ärztlichen Behandlungsfehler zu tun ist

Vielen Dank für das Gespräch, Maria!

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