Berufliche Wieder­ein­glie­derung: Zurück in den Beruf nach langer Krankheit

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach langer Erkrankung haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine betriebliche Wiedereingliederung.
  • Beim Hamburger Modell werden Arbeitszeiten und Belastungen schrittweise erhöht.
  • Der Stufenplan wird in Absprache mit dem behandelnden Arzt erstellt.
  • Wie lange eine Wieder­ein­glie­derung dauert, hängt von der individuellen Situation ab. Die Einschätzung nimmt gewöhnlich der Arzt vor.
  • Auch während der Wieder­ein­glie­derung beziehen Arbeitnehmer weiterhin Kranken- oder Übergangs­geld von der Kranken­versicherung. Der Arbeit­geber zahlt erst, wenn der Mitarbeiter wieder voll einsatz­fähig ist.

Das erwartet Sie hier

Wie eine berufliche Wiedereingliederung abläuft, wer in den unterschiedlichen Stadien die Kosten trägt und was zu tun ist, wenn sie nicht erfolgreich ist.

Inhalt dieser Seite
  1. Hamburger Modell
  2. Wichtige Voraussetzungen
  3. So gehen Sie vor
  4. Gehalt und Krankengeld: Wer zahlt?
  5. Fazit

Hamburger Modell zur beruflichen Wieder­ein­glie­derung

Seit 2004 sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, Arbeitnehmern nach langer Krankheit den Wiedereinstieg in die Arbeit über ein Betriebliches Eingliederungs­management (BEM) zu ermöglichen. Ein beliebtes Modell dafür ist das sogenannte Hamburger Modell.

Die stufenweise Wieder­ein­glie­derung, welche auch unter dem Namen “Hamburger Modell” bekannt ist, verfolgt das Ziel, Arbeitnehmern nach längerer Krankheit den Wiedereinstieg so angenehm wie möglich zu gestalten. Dabei werden die Arbeitszeiten Stück für Stück angepasst und erhöht.

Diese Regelungen sind im § 74 SGB V und im § 44 SGB IX verankert. Pflicht ist die berufliche Wiedereingliederung für Arbeitnehmer nicht, sie ist freiwillig. Ein stufenweiser und langsamer Einstieg zurück ins Berufsleben ist für Arbeitnehmer, die lange krank gewesen sind, jedoch sehr sinnvoll. So werden sowohl ein Rückfall als auch eine Überlastung vermieden.

Diese Fragen sind Teil des Programms

Für die Durchführung eines erfolgreichen betrieblichen Eingliederungs­managements über das Hamburger Modell spielen verschiedene Aspekte eine Rolle. Unternehmen sollten gemeinsam mit dem Mitarbeiter folgende Fragen durchgehen:

  • Wie kann die Arbeitsfähigkeit erhalten bleiben?
  • Welche Belastungen am Arbeitsplatz müssen reduziert werden?
  • Welche Unterstützung braucht der Arbeitnehmer, damit dieser nicht erneut arbeitsunfähig wird oder es zu einer Frühverrentung kommt?
  • Welche Arbeitsbelastung ist zumutbar beziehungsweise sollte die Arbeitszeit sukzessive erhöht werden?

(Quelle: AOK Magazin)

Icon Uhr und Zeit

Dauer hängt vom Einzelfall ab

Wie lange eine derartige Wieder­ein­glie­derung andauert, hängt von der individuellen Situation ab. Hierbei entscheidet der Arzt darüber, wie viel Arbeitspensum dem Arbeitnehmer zugemutet werden kann. Dieser stellt gleichzeitig auch den Antrag für die Wiedereingliederung über das Hamburger Modell.

Je nach Schwere der Erkrankung kann die Wieder­ein­glie­derung bis zu sechs Monate dauern. Die stufenweise Wiedereingliederung beginnt in der Regel bereits bei Arbeitsunfähigkeit.

Voraussetzungen der stufenweisen Wieder­ein­glie­derung

Damit eine stufenweise Wieder­ein­glie­derung in den Beruf überhaupt vollzogen werden kann, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Arbeitnehmer und Arbeitgeber zeigen sich mit der Maßnahme der medizinischen Reha­bilitation einverstanden.
  • Die teilweise Arbeitsmöglichkeit wird durch den behandelnden Arzt bescheinigt.
  • Der Sozial­versicherungsträger (Krankenkasse, Arbeitsagentur oder Renten­versicherung) müssen zustimmen.
  • Der Arbeitnehmer ist gesetzlich krankenversichert (privat Versicherte müssen das BEM nutzen).
  • Vor und während der Maßnahme gilt der Arbeitnehmer als arbeitsunfähig.
  • Der Arbeitnehmer wird am bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt.
Icon Uhr mit Pfeil

Wer bestimmt die neuen Arbeitszeiten?

Die Arbeitszeiten werden immer in Absprache zwischen Arzt und Arbeitnehmer festgelegt. Die Erhöhung der Arbeitsstunden oder des Arbeitspensums sollte dabei mit der Belastbarkeit des Betroffenen übereinstimmen. Grundsätzlich fangen Vollzeitkräfte mit zwei Stunden am Tag an und steigern ihre Arbeitszeit um je eine Stunde. Ein Wiedereingliederungsplan oder Stufenplan hilft bei der Planung und Umsetzung.

Was passiert mit dem Urlaubsanspruch?

Offiziell kann der Arbeitnehmer während einer beruflichen Wiedereingliederung keinen Urlaub nehmen, da er als arbeitsunfähig gilt. Der Urlaubsanspruch verfällt aber nicht: Er wird während der Arbeitsunfähigkeit und Wiedereingliederung angesammelt und kann später geltend gemacht werden.

Ablauf und Stufenplan zur beruflichen Wieder­ein­glie­derung

Icon Checkliste

Das steht im Stufenplan

Die Art und Weise der stufenweisen Wiedereingliederung sowie Arbeitszeiten und alle Aufgaben werden im Wiedereingliederungsplan festgehalten. Folgende Punkte sind dabei besonders wichtig:

  • Beginn und Ende der Maßnahme
  • Einzelheiten über verschiedene Stufen
  • Genaue Tätigkeiten und Aufgaben, die zu erledigen sind
  • Tätigkeiten und Aufgaben, die zu vermeiden sind
  • Begleitende Maßnahmen
  • Rücktrittsrecht vor dem vereinbarten Ende
  • Gründe für einen möglichen Abbruch
  • Ruhen von Bestimmungen im Arbeitsvertrag
  • Höhe eines möglichen Arbeitsentgelts

Erfolgreiche Wiedereingliederung: So gehen Sie vor

Icon Sprechblasen

1. Gespräch und Einigung über den Stufenplan

Damit eine stufenweise Wiedereingliederung durchgeführt werden kann, müssen alle Parteien zustimmen. Dazu gehören:

  • Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer
  • Der Arbeitgeber
  • Der behandelnde Arzt
  • Der Sozial­versicherungsträger (Krankenkasse, Renten­versicherung, Arbeitsamt)

Sind alle mit dem Modell einverstanden, wird im Anschluss mit dem behandelnden Arzt ein individueller Stufen­plan angefertigt, der von allen beteiligten Parteien zu unterschreiben wird.

Icon Person mit Liste

2. Festlegung von Arbeitszeiten und Belastung

Dabei legt der Stufenplan die schrittweise Wiedereinführung in die bisherige Tätigkeit fest. Gewöhnlich kommt es im Laufe der Wieder­ein­glie­derung zu einer schrittweisen Erhöhung der Arbeitsbelastung, bis die vollständige Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt ist. Die einzelnen Tätigkeiten und Arbeitszeiten je nach Woche werden in der Regel detailliert festgelegt.

Icon Arzt

3. Regelmäßige ärztliche Kontrollen

Weiterhin wird der Prozess der beruflichen Wieder­ein­glie­derung von ärztlichen Unter­suchungen begleitet. Bei Notwendigkeit kann der Stufenplan im Verlauf dem Gesund­heits­zustand angepasst werden, sodass es zu einer Verkürzung, Verlängerung oder gar zum Abbruch kommt.

Icon Kreis abgehakt

4. Das Ende der beruflichen Wiedereingliederung

Eine stufenweise Wieder­ein­glie­derung gilt als erfolgreich abgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer wieder völlig genesen und belastbar ist. Andernfalls kann die Wiedereingliederung auch verlängert werden.

Für den Fall, dass die schrittweise Wieder­ein­glie­derung vorzeitig abgebrochen wird, bleibt der Arbeitnehmer auch weiter­hin arbeits­unfähig. In dem Zusammenhang müssen weitere medi­zinische oder berufliche Reha­bili­tations­maß­nahmen oder sogar ein Antrag auf Erwerbsminderungs­rente in Erwägung gezogen werden.

Wer zahlt während Krank­heit und be­ruf­licher Wieder­ein­glie­derung?

Während der Krankheit: Entgeltfortzahlung und Krankengeld

Bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber grundsätzlich zur Weiterzahlung des Gehalts verpflichtet. Sechs Wochen lang gibt es die Entgeltfortzahlung, bei der das Arbeitsverhältnis normal bestehen bleibt, mit dem Unterschied, dass der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt.

Nach Ende der Entgeltfortzahlung wird kein Arbeitsentgelt gezahlt und das Arbeits­verhältnis ruht. Gesetzlich Versicherte haben dann Anspruch auf Krankengeld. Demnach erhält der Arbeit­nehmer 70 Prozent seines regel­mäßigen Bruttoeinkommens. Dabei wird das Krankengeld im Falle einer Arbeits­un­fähig­keit wegen derselben Krankheit für höchstens 78 Wochen gezahlt. Sofern eine private Kranken­­versicherung besteht, springt in dem Fall die Kranken­tage­geld­ver­sicherung ein.

Icon Hand mit Euromünze

Während der Wiedereingliederung: Krankengeld oder Übergangsgeld

Auch während der beruflichen Wiedereingliederung zahlt der Arbeitgeber kein Gehalt. Der Arbeitnehmer erhält weiterhin Krankengeld von der gesetzlichen Kranken­­versicherung. Dabei gelten die gleichen Voraus­setzungen, wie auch für die Zahlung von Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit.

Die gesetzliche Renten­versicherung ist bis zum Ende der stufenweisen Wieder­ein­glie­derung für die Zahlung von Übergangsgeld verantwortlich. Dabei gelten folgende Bedingungen:

  • Die Wieder­ein­glie­derung muss innerhalb von vier Wochen nach Ende der Leistungen der medizinischen Reha­bilitation beginnen.
  • Die Notwendigkeit der Wieder­ein­glie­derung muss bis zum Ende der von der gesetzlichen Renten­versicherung finan­zierten Leistungen in der Reha­bili­tations­ein­richtung festgestellt und von dort eingeleitet werden.

Nach der Wiedereingliederung: Gehalt

Sobald der Arbeitnehmer wieder voll einsatzfähig ist, wird das Arbeitsverhältnis wieder aufgenommen. Erst dann ist der Arbeitgeber wieder für die Zahlung des regelmäßigen Gehalts verantwortlich.

Fazit

Die stufenweise Wieder­ein­glie­derung ist ein Rechtsverhältnis eigener Art, das der Arbeitgeber und der langzeiterkrankte Arbeitnehmer freiwillig eingehen. Währenddessen ruht das eigentliche Arbeitsverhältnis zwischen den beiden Parteien. Hierbei geht der Arbeitgeber begrenzte Verpflichtungen ein, da das jeweilige Krankengeld von den Renten­versicherungsträgern über­nommen wird. Im Gegenzug gewöhnt sich der Arbeitnehmer langsam durch eine schrittweise Erhöhung der Arbeitszeit an das Pensum eines Vollzeitarbeitenden. Dabei sollte ein Wiedereingliederungsplan aufgestellt werden, in dem alle Regelungen und einzelnen Schritte festgelegt sind.

Mehr Informationen finden Sie im PDF des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

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