Identitätsdiebstahl Teil 2: Ein Betroffener berichtet

Foto von Munkhjin Enkhsaikhan
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Identitätsdiebstahl kann lange unentdeckt bleiben

In unserer dreiteiligen Reihe zum Identitätsdiebstahl erzählt ein Betroffener, der anonym bleiben möchte, wie er Opfer eines Identitätsdiebstahls wurde und was er getan hat, um sich gegen die Täter zu wehren. Hier kommen Sie außerdem zu den anderen beiden Teilen unserer Reihe:

Wie haben Sie bemerkt, dass jemand Ihre Identität gestohlen hat?

Herr B.*: Mitbekommen habe ich es erst vor Kurzem. Ich bekam ein Schreiben von einem Anwalt mit einer Forderung von einem Unternehmen, die ich begleichen sollte. Allerdings war ich bei diesem Unternehmen noch nie Kunde. Das war der erste Anlass, bei dem ich dachte, okay jetzt wird es konkret.

Hatten Sie vorher schon Vermutungen, dass etwas nicht stimmt?

Herr B.: Ja. Anfang des Jahres hat mich ein Unternehmen angerufen, ein großes Versandhaus, und fragte mich, ob ich Kleidung im Wert von 3000 Euro bestellt hätte. Das Unternehmen hat nachgefragt, weil sie das für sehr ungewöhnlich gehalten haben. Als ich den Kauf verneinte, haben sie den Auftrag storniert. Damit war dann der Fall erledigt. In dem Moment bin ich natürlich schon aufmerksam geworden. Aber nachdem ich meine Bankkonten gecheckt habe und mir nichts Ungewöhnliches aufgefallen ist und ich mich bei der Polizei informiert hatte, war die Sache für mich erledigt. Die Polizei konnte mir in diesem Zusammenhang nicht weiterhelfen. Denn eine Anzeige kann nur aufgenommen werden, wenn man nachweisen kann, dass man geschädigt wurde.

Wie ging es dann weiter?

Herr B.: Ein paar Monate später hat mich dann meine Mutter angerufen. Sie besitzt eine Zweitwohnung, in der ich vor einiger Zeit gewohnt habe und die momentan leer steht. Im Briefkasten der Wohnung lag plötzlich eine Mahnrechnung von einer Münzsammlung. Diese Mahnung war an meine Mutter adressiert. Sie hatte aber keine Münzsammlung bestellt. Daraufhin ist sie natürlich hellhörig geworden und hat ein wenig nachgeforscht. Bei ihr ging es dann so weit, dass die Schufa ihre Vermögensverhältnisse bei der Bank angefragt hat. Die Bank hat sich daraufhin bei meiner Mutter gemeldet. Es hat sich herausgestellt, dass sogar ein Haftbefehl auf sie ausgestellt wurde. In dem Moment wurde mir klar, dass noch mehr folgen wird und dass die Anfrage von dem Versandhaus einige Monate zuvor kein Zufall war.

Wie sind die Täter vorgegangen?

Herr B.: Ich habe bei den Nachbarn der leer stehenden Wohnung geklingelt und nachgefragt, ob sie etwas bemerkt hätten. Der Nachbar hatte Pakete angenommen, die auf mich adressiert war. Die Täter haben also Waren zur Wohnung bestellt und diese dann abgefangen. Denn, wie mein Nachbar berichtet hat, holte jemand mit dem Abholschein der Post die Pakete ab. Der Täter hat sich dabei als der Freund meiner Schwester ausgegeben. Die Nachbarn fanden das zwar sehr merkwürdig, haben das Paket aber herausgegeben, weil sie ja den Schein hatten.

Ich habe zwar keine Schwester, aber das wissen meine Nachbarn nicht. Als ich das erfahren habe, wurde mir klar, dass da etwas Größeres läuft. Ich habe mich dann erkundigt und herausgefunden, dass es wohl Banden gibt, die leer stehende Wohnungen ausspähen. Ich vermute, dass die Täter genau auf diese Weise vorgegangen sind. Jemand hat herausgefunden, dass die Wohnung leer steht, aber ein Name am Klingelschild hängt und man dort Waren hinbestellen kann.

Was haben Sie als Erstes getan, um sich zu wehren?

Herr B.: Ich war noch mal bei der Polizei und habe erklärt, dass ich den Verdacht habe, dass auf meinen Namen Waren bestellt werden. Dort konnte mir allerdings nicht geholfen werden, weil ich ja nicht geschädigt worden bin, sondern das Unternehmen. In dem Fall hätte das Unternehmen die Anzeige stellen müssen. Als dann vier Wochen später das Anwaltsschreiben kam, konnte ich endlich Anzeige erstatten. Als Nächstes habe ich dem Anwalt sofort ein Widerrufsschreiben zukommen lassen. Darin habe ich zum einen erklärt, dass ich der Zahlungsaufforderung nicht nachkommen werde. Außerdem habe ich gebeten, mir Auskunft zu geben, woher das Unternehmen meine Daten hat und an wen meine Daten weitergeleitet wurden. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz kann man das mit einer Frist von zwei Wochen einfordern. Momentan läuft das Ermittlungsverfahren.

Denken Sie, dass die Polizei Ihnen helfen kann?

Herr B.: Die Polizisten haben sich nicht dazu geäußert, wie die Aufklärungschancen stehen. Vermutlich aber nicht besonders gut. Denn es ist natürlich schwierig, jemanden zu fassen, der anonym aus dem Internet agiert. Wenn derjenige oder diejenigen beispielsweise einen Fehler machen und man sie auf frischer Tat ertappt, könnte der Fall aufgeklärt werden, ansonsten wahrscheinlich eher nicht.

Wird das Verfahren gegen Sie fallen gelassen, wenn Sie beweisen können, dass Sie nicht die Waren bestellt haben? Welche Folgen hatte das Ganze bisher für Sie?

Herr B.: Das ist eine gute Frage. Es gibt einige Indizien, die anzeigen, dass ich nicht derjenige war, der die Waren bestellt hat. Die E‑Mail-Adressen, die benutzt wurden, kann jeder erstellen. Es sind nicht meine E‑Mail-Adressen und bei dem E‑Mail-Anbieter war ich auch noch nie Kunde. Es gibt einige Punkte, die in der Angelegenheit für mich sprechen. Wenn man sich außerdem mal genau anschaut, was da bestellt wurde: Beispielsweise Klamotten in Größen, die mir nicht passen – dann ist das schon mal ein Beweis. Außerdem habe ich auch meine eigene Schufa eingefordert, um zu sehen, welche Unternehmen Sachen über mich gemeldet haben. Ob ich entsprechende Einträge in der Schufa habe, werde ich dann sehen, wenn ich die Auskunft bekomme.

Bei meiner Mutter war das der Fall. Sie hatte vorher nie Probleme mit der Schufa, hatte einen hohen Score und auch nie Kredite aufgenommen. Ihr Schufa-Wert ist nach dem Identitätsdiebstahl enorm gesunken. Wenn sie jetzt eine größere Anschaffung machen wollen würde beziehungsweise einen Kredit aufnehmen wollen würde, hätte sie mit diesem Score keine Chance mehr. Ich glaube, dass ich selbst als Privatperson nicht die Löschung beantragen kann, das muss wenn dann schon das Unternehmen machen. Auf dem Gebiet bin ich allerdings noch kein Experte, ich werde dann im Laufe der Zeit noch erfahren, was ich alles machen muss.

Was hätten Sie im Nachhinein anders gemacht, um sich vor dem Identitätsdiebstahl zu schützen?

Herr B.: Ich denke, wenn diese Zweitwohnung nicht existieren würde, dann wäre das alles gar nicht zustande gekommen. Wirklich vorbeugen hätte ich nicht können. Ich finde es sehr fahrlässig, wie die Unternehmen mit den Daten umgehen. Bei dem Anwaltsschreiben ging es um eine Plattform, über die man im Internet bezahlen kann. Bei dem Unternehmen kann sich jeder unter falschem Namen anmelden. Anscheinend reicht dem Unternehmen eine E‑Mail-Adresse und eine Anschrift aus. Die Identität wird dabei nicht überprüft. Dem Bekleidungsunternehmen, das mich bei der Bearbeitung der Bestellung angerufen hat, bin ich sehr dankbar, dass sie im Vorhinein nachgehakt haben, ob ich wirklich derjenige bin, der die Klamotten bestellt hat.

Was können Sie anderen Betroffenen empfehlen?

Herr B.: Als allererstes würde ich zur Polizei gehen und Anzeige erstatten. Das Unternehmen, bei dem die Täter die Waren bestellt haben, wird sicherlich eine Mahnung schreiben und auch bald ein Anwaltsschreiben hinterherschicken. Diesen Schreiben sollte man direkt schriftlich widersprechen. In diesem Zusammenhang ist eine Rechtsschutz­versicherung natürlich sehr hilfreich. Ich habe mich beispielsweise über den telefonischen Beratungsservice meiner Versicherung von einem Anwalt zu diesem Fall beraten lassen. Wenn der Verdacht besteht, dass man Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden ist, kann man sich außerdem eine Schufa-Auskunft holen und das überprüfen. Die Schufa hat hierfür auch einen speziellen Informationsservice. Das eignet sich vielleicht gut als eine Art Frühwarnsystem. Verhindern kann das den Identitätsdiebstahl natürlich auch nicht.

Vielen Dank für das Beantworten unserer Fragen!

*Name von der Redaktion geändert.

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