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Val Emanuel: „Strecke deine Hände nicht zu früh nach großen Investoren aus.“

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Von Nicole Paulus
Veröffentlicht am
Nicole Paulus

Nicole:
Kannst du uns in kurzen eigenen Worten erzählen, wer du bist und was du machst?

Val:
Hi, ich heiße Val Emanuel und bin die Gründerin von RIF care und Role Models MGMT. RIF care habe ich im August 2021 gegründet, obwohl ich die Idee für dieses Business bereits im April 2020 hatte. Die Anfänge waren schwierig. Ich musste hunderte von Emails schreiben, die zunächst alle ins Leere liefen. Einen Monat lang saß ich praktisch nur am Computer, doch ich fand einfach keine Firma, die mir dabei helfen wollte, Perioden-Produkte aus Hanffasern zu produzieren. Darum habe ich mich dann erstmal dazu entschlossen, die Idee vorerst auf Eis zu legen.
Nach einer Weile habe ich es dann nochmal probiert und mich erneut auf die Suche nach einem passenden Hersteller gemacht. Die Nutzung von Hanffasern war und ist mir sehr wichtig, weil dieses Material sehr umweltfreundlich ist. Hanf ist ja mittlerweile ein sehr beliebtes Produkt, weil es so vielseitig einsetzbar ist. Heutzutage kennt fast jeder CBD-Öl. Darüber hinaus wird Hanf aber auch für Gebäude, Textilien oder Papier verwendet. Meine Vision war es, Hanf für etwas zu verwenden, das es in dieser Art weltweit bisher noch nicht gab.
Ich denke, Menschen starten dann ein eigenes Business, wenn sie vor einem Problem stehen, das bisher niemand lösen konnte. So war es auch bei mir. Ich habe erkannt, dass im Bereich Perioden-Produkte bisher niemand Hanffasern verwendete. Für mich war Hanf schon immer eine sehr wertvolle Faser, die meiner Meinung nach viel mehr und öfter zum Einsatz kommen sollte. Stattdessen wird Hanf in der Industrie jedoch mehrheitlich verbrannt und lediglich als Abfall angesehen. Dieses Problem wollte ich lösen und dem Hanfmaterial endlich die Anerkennung schenken, die es verdient. Denn Hanf ist viel zu wertvoll, um es schlicht zu verbrennen.

Nicole Paulus

Nicole:
Da diese Interviewserie darauf abzielt, transparente Ratschläge zu geben, starten wir direkt mit dem Wesentlichen – was war einer der größten Misserfolge, den du zu Beginn deiner Karriere hattest? Was war das Ergebnis?  

Val:
Manchmal habe ich das Gefühl, die ganze Zeit zu versagen, aber dann kommen wieder die guten Momente, in denen ich alles erreiche, was ich mir vornehme. Dieses ständige Auf und Ab gehört einfach zum Leben eines Gründers dazu. Als ich Role Models startete, hatte ich das Gefühl, immerzu und mit allem zu scheitern. Fast alle Dinge damals sind nicht so gelaufen, wie es hätte sein sollen und genauso ging es dann auch bei RIF care weiter. Ständig hatte ich ein schlechtes Gewissen und die Befürchtung, nicht schnell genug voranzukommen, nicht genügend Investoren zu besitzen und eine schlechte Website zu haben. Ich habe mir eigentlich die ganze Zeit über Gedanken gemacht, ob ich auch alles richtig mache. Zum Beispiel habe ich Newsletter vor dem Abschicken tausendmal korrekturgelesen, aus Angst, es könnten sich Rechtschreibfehler darin verstecken. Auch das Unvorhersehbare hat mir immer Sorgen bereitet. Zum Beispiel hatte ich immer Angst meinen Briefkasten zu öffnen, weil ich dachte, es würden sich Rechnungen darin befinden, die ich nicht einkalkuliert habe. Jeden Tag gibt es irgendwelche Dinge, die nicht klappen wie gewünscht, aber aus diesen Fehlern lerne ich auch extrem schnell. Und genau darum geht es meiner Meinung auch, wenn man ein Business hat. Und zwar möglichst schnell aus Fehlern zu lernen und dann weiterzumachen!
Manchmal glaube ich, auch als Mutter zu versagen. Denn manchmal fühlt es sich einfach so an, als hätte ich nicht genug Zeit für meine Tochter. Ich weiß, dass ich eigentlich kein schlechtes Gewissen haben müsste, weil ich das, was ich tue, ja auch für meine Tochter mache und sie dadurch später mehr Möglichkeiten hat, eigene Dinge auszuprobieren. Dennoch bin ich immer im Zwiespalt, weil ich wegen des ganzen Geschäftlichen oft nicht die Zeit finde, mit meiner Tochter am Abend zu spielen. Klar, probiere ich jeden Tag Arbeit und Privates unter einen Hut zu bekommen, aber manchmal funktioniert das halt nicht. Ich weiß, dass mein schlechtes Mama-Gewissen Quatsch ist, aber es kommt halt immer mal wieder zum Vorschein.

Nicole Paulus

Nicole:
Gibt es einen Ratschlag, den dir ein Familienmitglied oder ein Mentor schon früh gegeben hat und den du nicht befolgt hast? Was war die Konsequenz oder das Ergebnis?

Val:
Ich bin für Ratschläge anderer Leute sehr offen. Ich weiß aber auch, dass es gute und schlechte Ratschläge gibt und deshalb bin ich anfangs immer sehr vorsichtig, wenn mir Menschen bestimmte Dinge raten. Denn viele Menschen spielen sich schlicht als Berater auf, ohne überhaupt vorher abzuwägen, ob der Ratschlag auch zu meinem Produkt passt. Der beste Rat, den ich je erhalten habe, war, seine Finger nicht zu früh nach großen Unternehmen auszustrecken. Bevor ich diesen Rat bekam, habe ich nämlich genau das gemacht. Viel zu früh habe ich Gespräche mit Investoren und Händlern gesucht. Es wäre damals besser gewesen, wenn ich noch etwas gewartet hätte, einfach weil ich dann über mehr Durchsetzungskraft verfügt hätte. Ein wichtiger Rat von mir ist auch, auf keinen Fall Geld für Werbekampagnen auszugeben, ehe man kein verkaufsfertiges Produkt hat. Leider bin ich genau in diese Falle gestolpert. Ein Unternehmen, dass Active Wear produziert, hatte mich damals davon überzeugt, frühzeitig mit Pressearbeit und Fotoshootings zu beginnen. Heute weiß ich jedoch, dass das ein riesiger Fehler war! Diese Erkenntnis war leider sehr teuer.

Nicole Paulus

Nicole:
Was war einer der letzten Misserfolge, die du hattest (entweder persönlich oder beruflich)? Welche Lektion hast du daraus gelernt?

Val:
Man sollte sich niemals nur auf einen Lieferanten verlassen! Denn wenn dieser Lieferant wegfällt, steht man wieder am Anfang. Genauso war es auch bei mir. Ich hatte lediglich einen Hersteller und ganz plötzlich ist dieser weggebrochen. Ich musste mich dann auf die Suche nach einem neuen Hersteller machen. Und mit dem neuen Hersteller ging dann alles von vorne los. Die ganze Forschungs- und Entwicklungsarbeit begann von neuem, obwohl wir das bereits mit unserem alten Hersteller alles durch hatten. Dadurch habe ich wertvolle Zeit verschenkt, denn erneut waren ganze sechs Monate Forschungsarbeit nötig. Also niemals nur auf einen Lieferanten setzen und stattdessen die Lieferkette ausweiten!

Nicole Paulus

Nicole:
Wie bleibst du trotz Ablehnung motiviert?

Val:
Absagen sind der Schutz Gottes, sage ich immer! Denn was man nicht bekommt, ist nicht für einen bestimmt und umgekehrt. Dabei ist egal, ob die Absage die Arbeit oder das Privatleben betrifft. Anderen Leuten mache ich oft klar, dass Absagen nichts Schlimmes sind, sondern einen lediglich den “richtigen” Weg zeigen. Schließlich will man ja auch nichts mit Menschen zu tun haben, die einen ablehnen. Stattdessen möchte man Menschen um sich haben, die einen anfeuern und an einen glauben. Denn genau das sind die Menschen, mit denen man arbeiten möchte. 20 Jahre lang habe ich als Schauspielerin gearbeitet und der Job ist die pure Ablehnung! Als Talentagentin muss ich auch viele Absagen an meine Kunden verteilen, daher bin ich Zurückweisungen mehr als gewohnt. Absagen zu erhalten ist besonders in der Geschäftswelt schwierig, denn schließlich bedeuten sie, dass man nicht das nötige Kapital erhält. Kein Geld von Investoren zu erhalten, kann ganz schnell das Aus bedeuten. Dennoch muss man stark bleiben und sich darüber im Klaren sein, dass es einfach Business-Partner gibt, die nicht zum eigenen Unternehmen passen. In diesem Fall ist eine Absage einfach das Beste, was einem passieren kann. Natürlich sollte man jede Absage auch ernst nehmen und sich fragen, warum der potentielle Investor das eigene Produkt abgelehnt hat. Eine Fehleranalyse ist daher sehr wichtig, einfach um es das nächste Mal besser machen zu können.

Nicole Paulus

Nicole:
Welcher Ratschlag hat dir geholfen, die schweren Zeiten zu überstehen? 

Val:
Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere.

Nicole Paulus

Nicole:
Was sind einige der größten Hürden, denen du auf deiner Reise begegnet bist – innere und äußere?

Val:
Auf die inneren Barrieren bezogen, würde ich sagen, zu erkennen, dass man nicht so privilegiert ist wie die Kardashians. Außerdem ist es für Neulinge ohne Erfahrung total schwer, praktisch aus dem Nichts ein Business zu gründen. Mit meinem ersten Unternehmen hatte ich nicht so die Probleme, die sich mir mit RIF care heute stellen. Dies hat wahrscheinlich damit zu tun, weil ich heute ganz anders an die Sache herangehe. Mit RIF care bin ich viel offensiver, kommuniziere mit einflussreichen Menschen und stehe in Kontakt mit mächtigeren Unternehmen. Klar, das ist auf Dauer sehr anstrengend und dann kommt noch erschwerend hinzu, dass ich über keinen finanziellen Background verfüge, von dem ich zehren kann. RIF care besteht halt nur aus mir und meiner Mitbegründerin Rebecca und zusammen versuchen wir alles Nötige zu tun, um RIF care erfolgreich zu machen. Kein Geld zu haben und nicht über das notwendige Wissen zu verfügen sind Dinge, die mir schwer zugesetzt haben. Tatsächlich hatte ich sehr oft das Gefühl, am falschen Platz zu sein bzw. nicht gut genug zu sein. Um dieses Gefühl loszuwerden, musste ich sogar zur Therapie gehen.

Nicole Paulus

Nicole:
Sowie einige der externen Barrieren: (sozioökonomischer Status, Geschlecht, Orientierung, Rasse, Mangel an sozialen Verbindungen, Mangel an Generationenreichtum)?

Val:
Es ist nun mal so, dass die weltweit größten Hersteller von Frauenprodukten männliche CEOs haben. Tja und ich denke, dass Männer in der Fashionindustrie nicht immer die richtigen bzw. frauenfreundlichsten Entscheidungen treffen. Weibliche CEOs sehen viele Dinge aus einer anderen Perspektive, aber ich denke, es geht nicht nur um das Wissen dahinter. Als Frau bin ich es gewohnt, im Voraus zu planen. Bereits jetzt versuche ich 10 Jahre im Voraus zu handeln und das tun Männer in dieser Branche meistens nicht!

Nicole Paulus

Nicole:
Gibt es etwas an deiner Reise, das du anders machen würdest, wenn du wüsstest, was du jetzt weißt?

Val:
Heute würde ich viel, viel früher anfangen und mich auf keinen Fall von Kundenablehnungen runterziehen lassen. Ich wünschte einfach, ich hätte nach den Absagen damals weitergemacht, anstatt meine Idee erstmal auf Eis zu legen. Wäre ich einfach dran geblieben, hätte ich mein Ziel sicher viel früher erreicht. Ich glaube, dann wäre es mir sogar möglich gewesen, meine Produkte innerhalb eines Jahres auf den Markt zu bringen.

Nicole Paulus

Nicole:
Welchen Karriereratschlag würdest du deinem jüngeren Ich geben?

Val:
Ich würde ihr raten, am „Personal Branding” zu arbeiten. Das ist gerade dann wichtig, wenn man, wie ich, ein absoluter Neuling auf dem Gebiet der Firmengründung ist und noch nicht über ein entsprechendes Netzwerk verfügt. Investoren geben Einem halt nur Geld, wenn Sie auch wissen, wer man ist. Daher sollte jeder Gründer Social Media und LinkedIn nutzen, um sich anderen zu präsentieren. Als schwarze Frau hat man es nochmal schwerer als weiße Gründerinnen. Manchmal habe ich das Gefühl, für die gleiche Anerkennung mehr leisten zu müssen als weiße Gründer. Aber das ist okay, da ich mittlerweile weiß, was ich tun muss, um unter all den Gründern aufzufallen. Meiner Meinung nach sind weibliche Gründer auf dem Vormarsch. Mich würde es daher nicht wundern, wenn zukünftig mehr Frauen als Männer eigene Brands besitzen.

Nicole Paulus

Nicole:
Was ist dein nächstes Unternehmensziel bzw. was planst du mit deiner Marke?

Val:
Der nächste Schritt wäre, meine RIF care-Produkte in meine Lieblingsläden zu bringen und dort zu verkaufen. Auch würde ich gern mehr für Frauen tun. Ich denke darüber nach, eine Plattform zu schaffen, über die sich Frauen zu bestimmten Themen wie emotionale Gesundheit austauschen können. Besonders wollen wir damit junge Frauen zwischen 18 und 25 Jahren erreichen und dafür sorgen, dass sie ein gesundes Selbstbild entwickeln. Ich kann mir vorstellen, dass das keine leichte Aufgabe ist, zumal die jungen Frauen von heute in dieser Hinsicht nicht besonders offen sind und nur ungern Ratschläge von einer dreißigjährigen Mutter annehmen.

Nicole Paulus

Nicole:
Nun zu ein paar lustigen Fragen. Hast du versteckte Talente? Verrat sie uns!

Val:
Ich kann echt gutes Sauerteigbrot backen und vegane Gerichte kochen. Mein Sauerteig-Starter ist sensationell und auch der Joghurt, den ich selbst herstelle.

Nicole Paulus

Nicole:
Was ist dein Guilty Pleasure oder deine liebste Art, Zeit zu „verschwenden“?

Val:
Im Moment verschwende ich viel zu viel Zeit mit Serienschauen. Ozark hat es mir besonders angetan.

Nicole Paulus

Nicole:
Wenn du dir keine Sorgen um das Geldverdienen oder das Bezahlen von Rechnungen machen müsstest – wie würdest du deine Tage verbringen?

Val:
Strandspaziergänge unternehmen…sobald ich ein paar Stunden für mich habe, an denen ich nicht arbeiten möchte, gehe ich an den Strand zum Relaxen. Das ist einfach meine liebste Art der Beschäftigung, um Zeit zu verschwenden, hier in Southern California.

Nicole Paulus

Nicole:
Was ist dein Lieblingssong, wenn du einen Schub an Selbstvertrauen brauchst?

Val:
Tatsächlich habe ich vier Playlists auf Spotify: Rifcare Vintage, Rifcare Moody, Rifcare Feeling und Rifcare Romantic.

Nicole Paulus

Nicole:
Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern gerne mitteilen möchtest?

Val:
Mit RIF care möchten wir viel bewirken. Wir wollen, dass Frauen sich sicher fühlen, über ihre eigenen Bedürfnisse zu sprechen, ohne Angst vor Ablehnung zu haben. Frauen schämen sich immer noch viel zu sehr für ihren Körper, ihre Periode und ihre Vagina. Mit RIF care wollen wir diesen Schamgefühlen ein Ende setzen und dieses vorherrschende Stigma durchbrechen.

Nicole Paulus

Nicole:
Danke Val und alles Gute für die Zukunft!

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